nd-aktuell.de / 02.11.1995 / Brandenburg / Seite 17

M^ihiSicht Wie gehabt

Die SPD wird die Große Koalition mit der CDU fortsetzen. Nicht anders war ihr Lavieren im Wahlkampf zu deuten, und darauf läuft nach abruptem Abbruch der Selbstmitleidphase und abenteuerlichem Aufbruch zu neuem Selbstbewußtsein jegliche Darbietung auf der Polit-Bühne hinaus.

Jedenfalls auf den Führungsetagen, wo Pfründe zu verlieren sind. An der Basis sieht's anders aus, da rumort's, da wird der Canossagang in die Opposition gefordert. Setzen sich die Vorstandsgremien durch, die der Macht von CDU-Gnaden verhaftet sind, oder die Basis? Aber: Wer eigentlich ist die Basis, wie stark ist sie? So genau will es nicht einmal der große Vorsitzende Scharping wissen, er winkte mit dem Zaunpfahl: Keine Mitgliederbefragung wegen der Koalition, der Parteitag wird's schon richten.

Gerichtet für den 7 November haben's erstmal die oberen Parteiinstanzen. Nachdem die CDU deutlich gemacht hatte, daß es einen Minderheitssenat nicht geben wird, daß also für die SPD nicht die Frage „Koalition oder Opposition“, sondern „Koalition oder Neuwahlen“ steht, trat die SPD-Spitze auf die Notbremse. Nach dem diffusen jämmerlichen Bild, das sie seit dem Wahlsonntagabend abgibt, stünde ihr ja ein noch viel verheerenderes Debakel bevor.

Der 7. November dürfte mäßig spannend werden. Wenn nicht die große, unbekannte Basis die Disziplin verweigert. Denn Optionen gäbe es durchaus. Von inhaltlichen Auflagen für die vom Landesausschuß beantragten Sachgespräche mit Bündnisgrünen und CDU bis zur Entscheidung auf dem nächsten Parteitag im Dezember. Die Möglichkeit, den Mißtrauensantrag der PDS gegen den Regierenden Bürgermeister Diepgen zu unterstützen, ist spekulativ, aber vorhanden.

Wenn dann auch noch die Bündnisgrünen ihren Worten Taten folgen lassen, nämlich ein Mißtrauensvotum gegen den Senat, einzelne Senatoren oder Diepgen zu erwägen, würde der arithmetische Raum links von der CDU eine politische Größe. Alles wäre offen, würde man die SPD nicht kennen: Alles wie gehabt.

KARIN NÖLTE