nd-aktuell.de / 16.11.1995 / Politik / Seite 5

Sehr geehrter Herr Hausch,

vielen Dank für Ihre Post, die ich als Anregung zur Diskussion werte. Wenn Sie dabei „hirnrissige“ Argumente weglassen, kann dies auch fruchtbringend sein.

Ich war nie in einer Partei und will auch nie in einer sein. Aber leider habe ich erlebt, was die Politik hierzulande geschafft hat. Es gibt zu viele Menschen, denen es zu schlecht geht. Laut Sozialreport 1995 haben 1991 63 Prozent aller Ostdeutschen geglaubt, daß die Hauptursache der gegenwärtigen Erwerbslosigkeit in der verfehlten

Politik der DDR bestand. Heute sehen das nur noch 26 Prozent so.

Nun wäre es richtig, sich damit auseinanderzusetzen, bevor die Unzufriedenheit noch weiter zunimmt. Immer mehr Menschen wählen nun das, was sie für ihr Sprachrohr „dort oben“ halten. Im Osten ist es die PDS, die in ihrem Programm die sozialen Punkte am deutlichsten artikulieren konnte. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die von vielen SPD- und CDU-Politikern.

Längst hat man auch erkannt, daß die alten Funktionäre die Wahl-

stimmen nicht allein aufgebracht haben können. Etwa 39 Prozent aller 18- bis 24jährigen in Ostberlin haben die PDS gewählt.

Warum aber setzt man sich nicht mit den Argumenten der PDS auseinander? Warum malt man einen Teufel an die Wand? Wenn Sie sich die Argumente der PDS ansehen, werden Sie feststellen: Niemand will die DDR wiederhaben. Alle haben begriffen, warum die Marktwirtschaft existiert und akzeptieren sie. - Aber warum kann ein menschenwürdiges Dasein in ihr nicht möglich sein? Warum müssen viele so viel für eine starke D-Mark opfern? Diese Fragen und linke Politik in diese Richtung muß erlaubt sein, denn wir haben doch eine Demokratie, oder?

Von der Diffamierung und Verfälschung und Unterdrückung politisch Andersdenkender haben wir Bewohner der neuen Bundesländer uns befreit. Haben wir das nun umsonst getan? Sind wir vom Regen in die Traufe gekommen?