nd-aktuell.de / 16.11.1995 / Politik / Seite 10

Bitterernste Realsatire

Fotos: Robert Grahn

Das freund iche Team von der BVB

Ort des Ereignisses: Humboldt-Universität Berlin, Hörsaal 1072. Zeitpunkt: Dienstag, 14. November. 11.10 Uhr:

So spaßig die Aktion für das Team des Studierendenparlaments, so ernst der Hintergrund. Frank Seyffert, Referent des Stupa der Uni, nennt das Anliegen dieser Attraktion innerhalb einer Aktionswoche gegen Sozialabbau und für Chancengleichheit: die Gefahr, daß Bildung, für viele künftig

nicht mehr bezahlbar sein wird. Weshalb man die „Bildungsvertrieb Berlin AG“, kurz BVB, aus der Taufe hob. „Wir vertreiben die Bildung aus Berlin“, heißt hintersinnig ein Slogan - „Halbe Bildung zum vollen Preis für ganze Deutsche“. Jeder muß laut BVB eine BildungsCard erwerben.

BUdungsCard, Standard: ,

Die Vorlesung ä 2 Semesterwochenstunden (SWS) steht mit „nur unglaublichen 16,99 DM“ in der Tarifstaffel.

Für ein Hauptseminar ä 2 SWS werden „nur überzeugende 27 DM“ verlangt.

Als Schnäppchen - Übungen im 5er Pack für 30 DM.

Für all diejenigen, die für ihr Studium, tagsüber .hart.arbei»

ten müssen, gibt es „Das Gute Nacht und Wochenendticket pro Lehrveranstaltung „träumerische 12 DM“.

BUdungsCard First:

„Elite-class-offer“ C4-C6-Professur, Vorlesung und Seminar für zusammen 128 DM.

Mit Blick auf Pläne, pro Semester von den Studierenden Gebühren von 1000 Mark zu erheben, wird der Hintergrund der Aktion erleuchtet. Hinzu kommen die Pläne von Bundesminister Rüttgers zur Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG). Danach müßte ein Student bei elf Semestern Vollförderung rund 72 000 Mark (gegenüber rund 35 000 Mark bei der bisherigen Regelung) an Vater Staat zurückzahlen. Welch ein Start ins Berufsleben mit diesem Schuldenklotz am Bein! Wobei längst nicht sicher ist, daß jeder Absolvent auch einen Job bekommt.