nd-aktuell.de / 17.11.1995 / Kultur / Seite 10

Der „Polistradamus“ soll jedes Jahr vergeben werden?

Von den beiden Ereignissen, die den 9 November zu einem historischen Datum gemacht haben, wurde des einen, der Öffnung der deutsch-deutschen '?.?? 'Grenze 1989/tim Fernsehens wiederum reichlich gedacht. Das andere wurde hingegen kaum beachtet: die Pogromnacht von 1938. Der ORB, der als einziger Sender überhaupt Notiz davon nahm, vermied den Rückblick auf das schlimmste Verbrechen der Weltgeschichte und konzentrierte sich auf das Verhältnis zwischen Deutschland und dem Staat Israel heute. Deutsche historische Schuld sollte offenbar nicht die gesamtdeutsche Wiedergeburt als vereinte Nation überschatten.

Das Erinnern fällt von Jahr zu Jahr schwerer. Ist nicht schon alles gesagt über die Shoa, wer kann dem Tagebuch der Anne Frank und dem

Es gibt prominente Schauspieler, die stehen nicht im Telefonbuch. Sie werden ihre Gründe haben. Von Günter Naumann liest man, daß er im Berliner Prenzlauer Berg zu Hause ist, Schönhauser Allee. Ist es eine Marotte, in einer Wohnung mit Ofenheizung zu leben, im dichten Gewühl der Großstadt? Günter Naumann will in unserem Gespräch davon nichts wissen: „Seit 1964 wohne ich in der Schönhauser. Sie ist für mich eine Schule des Lebens. Den Leuten hier fühle ich mich verbunden.“ Der Schauspieler ist schmal im Gesicht, erst vor wenigen Tagen hat er eine schwierige Operation überstanden.

Heute wird er 70 Jahre alt. Seine Biografie unterscheidet sich kaum von der vieler anderer seiner Generation: Gelernter Betonbauer, Architekturstudent, noch 1944 Ausbildung zum Fallschirmjäger, Kriegsgefangener in England. Da er sich darauf versteht, baut er unter anderem für britische Offiziere Kamine. Trifft einen Mann vom Geheimdienst, der sich gut in Chemnitz auskennt und ihm jeden Bunker aufzeichnen kann, den Naumann als Betonbauer mit seiner Firma gebaut hat. Erste Berührung mit Bühnenbildnerei und Schauspielerei durch das Lagertheater. „Habe sogar mal im .Revisor' den Stadthauptmann gespielt, mit O-Beinen, Glatze und breitem Sächsisch.“ 1948, vor der Entlassung, eine