„Vorbei“ - Karl-Georg Hirsch schuf diesen Holzstich zur Vorzugsausgabe des Becher-Bandes, die jeweils mit einer Originalgraphik in 300 Exemplaren erscheint
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in der Literatur“ wie ein Par- Außenseiter sein.. Dafür gibt es
teifunktionär spricht. viele Beispiele in der Literatur
Becher wollte letztlich im- nach 1917, und es leichthin zu
mer funktionieren, kein verdammen, wäre ungerecht.
1983, als ich am Institut für Literatur „Johannes R. Becher“ studierte, wurde uns ein eben erschienenes Buch dargereicht, das etwas ganz Besonderes versprach: Becher als Menschen. Längst war das Ansehen des Dichters und ehemaligen Kulturministers der DDR tief in den Keller der Spöttelei und der Abneigung gesunken. Nicht nur kritische Studenten nannten ihn „Johannes Erbrecher“
Nun gab es den „Aufstand im Menschen“ - kulturphilosophische Reflexionen, geschrieben 1947/48, zu großen Teilen in Bechers Tagebüchern 1950 veröffentlicht, von Ost und West, damals aber kaum wahrgenommen. Wir sollten lesen
Entwicklung, erneut gelesen, diese schön gestaltete Ausgabe von Faber & Faber. Das erschreckendste war wohl, daß ich mir auch heute keinen Satz darin angestrichen habe. Sollen DAS philosophische Betrachtungen sein? Merkbares, das Einsichten ins Innerste der Welt gibt? Neues über den Menschen? Was liegt da für ein seltsam hilflos dahingeschriebenes Gebilde vor uns! Es hat ein Verzweifelter verfaßt. Einer, der mit kindlichem Erschrecken erkannt hat, daß die Menschen böse, unbelehrbar, eitel, falsch, durchtrieben und mordlustig sind. Es hat jemand geschrieben, der ein zutiefst religiöses Bild von seiner Gattung besitzt. Ein im Exil umhergetriebener, angegriffener, seelisch verletzter Mensch. Das ganze Buch ist Anklage. Gewiß, das kannten wir nicht von Becher. Aber hat es ihn bei uns beliebter gemacht?
„Der Aufstand im Menschen“ ist übersteigerte Prosa, die von Übersteigertem handelt. In theatralischen Gesten, wie von einer Kanzel gepredigt. Das „0 Mensch“ ohne eine Spur von Ironie gesagt, sondern so pathetisch geschrieben, wie es gemeint ist. Becher fordert das Totale: „Das wahre Menschlichsein“, die „Wahre Geschichte der wahren Menschen“, das „totale Herrschen von Vernunft“. Fragmentarisches ist für Becher fragwürdig. Er trägt eine hermetische gotthafte Vorstellung vom Menschen in sich, weif entfernt von der - für Dichter notwendigen - Einsicht, daß d|er Mensch nicht nur unvollkommen ist, sondern unvollkommen sein muß, um nicht in blutloser Leere zu erstarren. Bei Becher selbst ist das Unvollkommene, das sich durch sein Leben und seine Dichtung zieht, das Interessanteste. Ich
? kenne keinen Dichter dieser Zeit, der widersprüchlicher
, war als J.R. ,,
Ich neige nach der Lektüre vom „Aufstand“ dazu, von Tragik bei Becher zu sprechen.