nd-aktuell.de / 02.09.2004 / Kommentare

Schröders Verständnis

Wolfgang Hübner
Eigentlich ist ja die SPD gar nicht so. Sie kann geduldig sein, verständnisvoll, nachsichtig. Sie kann, wenn es sein muss, das Fordern weit zurückstellen und fest auf das Gute hoffen. Es darf allerdings nicht um Hartz IV, um Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger gehen, sondern um die Wirtschaft und ihre Wehwehchen. Die SPD hatte zwar in diversen Beschlüssen ein Gesetz für eine Ausbildungsumlage verlangt. Denn nachdem Politiker die Wirtschaft jahrelang erfolglos um mehr Lehrstellen gebettelt hatten, war vielen Sozialdemokraten der Geduldsfaden gerissen. Firmen, die nicht ausbilden, sollten eine Abgabe zahlen. Doch dann schaltete sich der Bundeskanzler ein, ließ den fertigen Gesetzentwurf in der Schublade verschwinden und schloss einen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft. Den feierlichen Schwüren vom Frühjahr folgt nun die Bilanz: Zu Beginn des Lehrjahres sind allein in der Region Berlin/Brandenburg noch 22000 Jugendliche ohne Lehrstelle. Sie haben keine gesetzliche Ausbildungsgarantie in der Hand, sondern nur Versprechungen. Einen Fragebogen für Unternehmen, in denen sie ihre wirtschaftliche Situation, ihre finanziellen Möglichkeiten und ihre Ausbildungsangebote in allen Einzelheiten offen zu legen haben, wurde von der Regierung übrigens nicht in Erwägung gezogen. Solche Befragungen müssen nur Leute über sich ergehen lassen, die keine Lobby haben.