nd-aktuell.de / 04.08.1997 / Politik / Seite 5

200 Standorte gelten als gefährdet

Zehntausend ABC-Schützen weniger als 1996 - darauf wurde mit Schließung von 35 Grundschulen geantwortet. 50 weitere sollen in den nächsten Jahren auslaufen, bekommen also keine erste Klasse mehr Prominentestes Opfer- Kühnitzsch, zum schönsten Dorf Sachsens gekürt, muß seine Kinder künftig dem Schulbus anvertrauen. 200 Grundschulstandorte gelten als gefährdet, da die Zahl der Grundschüler bis zum Schuljahr 2001/2002 von

derzeit 210 000 auf weniger als die Hälfte sinken dürfte. Erst danach wirkt sich der derzeitige Geburtenanstieg positiv aus.

Im übrigen rechnet niemand damit, daß in den nächsten zehn Jahren wieder die DDR-typische Fruchtbarkeit erreicht werden könnte, von der Annäherung an westdeutsche Verhältnisse ist die Rede, also an die statistische 1,4-Kinder-Familie, rund ein Drittel weniger Nachwuchs als zu DDR-Zeiten.

Als neulich die Entscheidung der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern bekannt wurde, nach den Sommerferien zunächst in sechs Orten sogenannte Kleine Grundschulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht einzurichten, war dies Wasser auf die Mühlen der sächsischen Opposition. Sachsen sei nunmehr »das absolute Schlußlicht«, erklärte der bildungspolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, Andre Hahn. Denn abgesehen vom Stadtstaat Berlin ist Sachsen das einzige ostdeutsche Bundesland ohne eine solche Sonderregelung für den ländlichen Raum, die den jüngsten Schülern überlange Schulwege ersparen soll. Das Leipziger Institut für Marktforschung hat in einer von der PDS-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenen Umfrage herausgefunden, daß 51 Prozent der sächsischen Landbevölkerung den Kleinen Grundschulen den Vorzug vor Schulschließungen geben würden. Doch Volkes Meinung hat das Kultusministerium nicht zu einer Korrektur bewegen können. Schließlich hat man vor Jahren in einer eigenen Umfrage ermittelt, daß nur drei Prozent der Sachsen

»Zwergschulen« wollen. Damals standen aber keine Schulschließungen unmittelbar bevor, außerdem hat die Antwort bekanntlich viel mit der Frage zu tun.

Günther Hatzsch, Bildungsexperte der SPD-Landtagsfraktion, ist sich sicher, »daß nach einer Aufklärung über das pädagogische Konzept solch kleiner Schulen die Zustimmung der Eltern weit über 80 Prozent liegen würde«. Untersuchungen aus den alten Bundesländern sprächen für diese Annahme. Hatzsch hoffte, daß das Kultusministerium wenigstens einige Ausnahmegenehmigüngen erteilt, die Klassen mit weniger als 15 Schülern ermöglichen. Auf seine Kleine Anfrage zum Thema antwortete Kultusminister Matthias Rößler (CDU), es habe 36 Ausnahmegenehmigungen gegeben, nur sechs entsprechende Anträge seien abgelehnt worden.