nd-aktuell.de / 17.07.1998 / Politik / Seite 12

Fernost und West

Katharina Mommsen

Da ist sie wieder, die Japanerin, die mit 25 Jahren nach Deutschland kam, ohne ein Wort deutsch zu sprechen, binnen fünf Jahren für »Die Zeit« schrieb und deren frühe Romane Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre kleine literarische Sensationen auslösten. Das kann doch nicht sein, sagten damals manche, daß eine junge Frau, die in Japan geboren und aufgewachsen ist, in Tokio und den USA studiert hat, nun nach Deutschland kommt und unsere wahrhaftig nicht leicht zu erlernende Sprache so beherrscht, um damit in seltener Kombination von Schlichtheit und Bildhaftigkeit literarische Juwelen unverkennbarer Signatur zu schaffen - nie eine Dissonanz, nie ein Fehlgriff!

Eine in der deutschen Literaturszene bemerkenswerte Erscheinung. Nach vierjähriger Pause hat die Japanerin wieder einen Roman geschrieben - und wieder auf deutsch. »Himmelszeichen« heißt das Buch, das in Stil und Sprache die Qualität ihrer besten früheren Werke erreicht oder sogar übertrifft. Nur ist die Zeit der Handlung ferner in die Vergangenheit gerückt.

Während »Karpfentanz« in den aufstiegbesessenen 60er Jahren spielt, als Japan jene wirtschaftlichen Muskeln entwickelte, die den Rest der Welt bald das Staunen und Fürchten lehren sollten, »Abendkranich« zur Stunde Null beginnt - jenem heißen Augusttag 1945, als Hiroshima von der Atombombe ausgelöscht wurde, und »Brokatrausch« zu Anfang unseres jetzigen Jahrhunderts, weist »Himmelszeichen« in die wohl drama-

tischste Epoche der japanischen Geschichte zurück - in die Zeit der ersten Begegnung mit Europa. Damals, zu Beginn des 17 Jahrhunderts, war Japan unermeßlich reich an Silber, offen für Handel und Gedanken von draußen, ein hochbegehrtes Ziel der christlichen Seefahrernationen.

Die Handlung, die sich in kunstvoll verwobenen Lagen entwickelt, spielt in einem Teil des Landes, wo portugiesische Missionare schon seit 70 Jahren auf ihre großen Erfolge bei der Christianisierung stolz sein konnten und trügerische Hoffnungen auf eine weitere Ausbreitung des Glaubens hegten. Vor diesem historisch belegten Hintergrund entwickelt sich eine Liebesgeschichte von lyrischer Dichte zwischen einer Japanerin, Mika, und einem jungen Holländer, Hendrik, auf der Flucht vor den Portugiesen und Spaniern. Die Beziehung zwischen Mika und Hendrik wird mit einer in der modernen Literatur nur noch selten zu erfahrenden Intensität und Zärtlichkeit geschildert.

Spannung, die die kommende Tragik spüren läßt, scharfe Zeichnung aller Figuren, ein überwältigender Reichtum an Details, magische Qualität der Sprache ein Meisterwerk, geschaffen von einer Autorin, die mit diesem Roman wieder unter Beweis stellt, wie vertraut sie ist mit den beiden so verschiedenen Gedanken- und Gefühlswelten. Die Lektüre vermittelt tiefe Einblicke in die divergierenden Denkbahnen von Fernost und West und damit auch in das Dilemma, das noch heute die Kontakte zwischen Europa und Japan belastet.