- Politik
- Hisako Matsubara - eine Japanerin, die deutsch schreibt
Fernost und West
Da ist sie wieder, die Japanerin, die mit 25 Jahren nach Deutschland kam, ohne ein Wort deutsch zu sprechen, binnen fünf Jahren für »Die Zeit« schrieb und deren frühe Romane Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre kleine literarische Sensationen auslösten. Das kann doch nicht sein, sagten damals manche, daß eine junge Frau, die in Japan geboren und aufgewachsen ist, in Tokio und den USA studiert hat, nun nach Deutschland kommt und unsere wahrhaftig nicht leicht zu erlernende Sprache so beherrscht, um damit in seltener Kombination von Schlichtheit und Bildhaftigkeit literarische Juwelen unverkennbarer Signatur zu schaffen - nie eine Dissonanz, nie ein Fehlgriff!
Eine in der deutschen Literaturszene bemerkenswerte Erscheinung. Nach vierjähriger Pause hat die Japanerin wieder einen Roman geschrieben - und wieder auf deutsch. »Himmelszeichen« heißt das Buch, das in Stil und Sprache die Qualität ihrer besten früheren Werke erreicht oder sogar übertrifft. Nur ist die Zeit der Handlung ferner in die Vergangenheit gerückt.
Während »Karpfentanz« in den aufstiegbesessenen 60er Jahren spielt, als Japan jene wirtschaftlichen Muskeln entwickelte, die den Rest der Welt bald das Staunen und Fürchten lehren sollten, »Abendkranich« zur Stunde Null beginnt - jenem heißen Augusttag 1945, als Hiroshima von der Atombombe ausgelöscht wurde, und »Brokatrausch« zu Anfang unseres jetzigen Jahrhunderts, weist »Himmelszeichen« in die wohl drama-
tischste Epoche der japanischen Geschichte zurück - in die Zeit der ersten Begegnung mit Europa. Damals, zu Beginn des 17 Jahrhunderts, war Japan unermeßlich reich an Silber, offen für Handel und Gedanken von draußen, ein hochbegehrtes Ziel der christlichen Seefahrernationen.
Die Handlung, die sich in kunstvoll verwobenen Lagen entwickelt, spielt in einem Teil des Landes, wo portugiesische Missionare schon seit 70 Jahren auf ihre großen Erfolge bei der Christianisierung stolz sein konnten und trügerische Hoffnungen auf eine weitere Ausbreitung des Glaubens hegten. Vor diesem historisch belegten Hintergrund entwickelt sich eine Liebesgeschichte von lyrischer Dichte zwischen einer Japanerin, Mika, und einem jungen Holländer, Hendrik, auf der Flucht vor den Portugiesen und Spaniern. Die Beziehung zwischen Mika und Hendrik wird mit einer in der modernen Literatur nur noch selten zu erfahrenden Intensität und Zärtlichkeit geschildert.
Spannung, die die kommende Tragik spüren läßt, scharfe Zeichnung aller Figuren, ein überwältigender Reichtum an Details, magische Qualität der Sprache ein Meisterwerk, geschaffen von einer Autorin, die mit diesem Roman wieder unter Beweis stellt, wie vertraut sie ist mit den beiden so verschiedenen Gedanken- und Gefühlswelten. Die Lektüre vermittelt tiefe Einblicke in die divergierenden Denkbahnen von Fernost und West und damit auch in das Dilemma, das noch heute die Kontakte zwischen Europa und Japan belastet.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.