nd-aktuell.de / 24.09.1998 / Politik / Seite 2

Der Elegante

Igor Iwanow (53)

Der neue Hausherr am Smolensker Platz in Moskau -Außenminister einer angeschlagenen Großmacht

Foto: Reuters

Er trägt zwar einen russischen Allerweltsnamen, gilt jedoch nicht nur wegen tadellos sitzender Anzüge und Krawatten im Moskauer Korps der Auslandsvertreter als »elegantester aller russischen Diplomaten«: Igor Sergejewitsch Iwanow,

der Nachfolger des zum Regierungschef beförderten Jewgeni Primakow im Chefbüro des russischen Außenministeriums am Smolensker Platz.

Iwanow hat nicht die übliche sowjetisch-russische Diplomatenschule - das Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) - besucht, sondern das Fremdspracheninstitut »Maurice Thorez«. Spanisch und Englisch waren seine Fächer Nach dem Diplom arbeitete er zunächst als Assistent am Akademieinstitut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen, dessen Vizedirektor damals Primakow war

Als 2 8j ähriger wurde Iwanow zum Mitarbeiter der UdSSR-Handelsvertretung in Franco-Spanien berufen. Eine sowjetische Botschaft gab es in Madrid noch nicht. Zehn Jahre später kehrte er als Gesandter nach Moskau zurück und arbeitete im Apparat des Außenministeriums, zuletzt als Leiter des Sekretariats.

Ende 1991 ging er wieder nach Spanien, diesmal Botschafter, nicht mehr der Sowjetunion, sondern Rußlands - bis ihn Jelzins damaliger Außenminister Andrej Kosyrew Anfang 1994 zu seinem ersten

Stellvertreter machte. In dieser Eigenschaft vertrat er Rußland bei den Verhandlungen über eine Bosnien-Lösung in Dayton (USA).

Iwanow behielt seinen Posten auch nach der Ersetzung Kosyrews durch Primakow im Januar 1996. Der Führungswechsel signalisierte zwar eine Kurskorrektur in der russischen Diplomatie - von bedingungsloser Gefolgschaft gegenüber dem Westen zu mehr Selbständigkeit -, doch stand Iwanow längst im Ruf eines »unpolitischen« Staatsdieners, der sich an Palastintrigen nicht beteiligt. Primakow soll keine wichtige Entscheidung ohne Beratung mit seinem Vize getroffen haben. Folgerichtig schlug er ihn jetzt als seinen Nachfolger vor

Am Dienstag gab Iwanow seinen Einstand in der UNO-Vollversammlung. Nachdrücklich warnte er vor Gewaltanwendung zur »Lösung« des Kosovo-Konflikts. Dennoch glaubte man auf deutscher Seite, in dieser Frage ein »erhebliches« Einschwenken Rußlands auf den NATO-Kurs erkennen zu können. Löst sich alle Politik letztlich wieder einmal in Ökonomie auf? Detlef D Pries