nd-aktuell.de / 07.10.1998 / Politik / Seite 1

Achterbahn der Gefühle

Jörg Staude

Arbeitslose leben gemeinhin in einer Achterbahn der Gefühle. Wer bis zum Vorstellungsgespräch vordringt, wähnt sich fast im siebten Himmel. Um so grausamer folgt nach der Ablehnung der Absturz. Wer sich zu den Langzeitarbeitslosen rechnen muß, empfindet eine ABM-Stelle schon als Glück.

Auf der Klaviatur solcher Gefühle zu spielen, verstehen viele Politiker meisterhaft. Die Konservativ-Liberalen eher nach dem Motto: Erstmal muß es (den Arbeitslosen) schlechter gehen, damit es besser werden kann. Die Kraft dieser Botschaft begann zu erlahmen, als trotz allen Schlechtergehens die Arbeitslosenzahlen partout nicht sinken wollten.

Vor der Sprengkraft enttäuschter Hoffnungen nehmen sich inzwischen auch die neuen Regierenden von der SPD in acht.

Vor Wochenfrist noch versuchte Riester, die Bevölkerung an erneut steigende Erwerbslosenzahlen zu gewöhnen und auf das kommende Bündnis für Arbeit zu vertrösten - nun korrigierte man sich: Schnellstmöglich soll 100 000 Jugendlichen eine neue Beschäftigung gegeben werden.

Das ist zweifellos ein Signal der Hoffnung, daß nun nicht mehr nur geredet, sondern auch gehandelt wird. Daß die arbeitsmarktpolitische Abstinenz des Staates beendet ist. Dieser Politikwechsel ist um so dringlicher, weil die Weltwirtschaft in eine rasende Talfahrt hineinschlittert und auch die Bundesrepublik davon nicht verschont werden wird. Unter diesen Umständen tun die Arbeitsloseninitiativen, gut daran, die Politik weiter unter Druck zu setzen - zu verlockend ist es, die Zwänge des Marktes für Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen.

Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen und wieder der Vollbeschäftigung nahezukommen, ist allerdings eines der schwierigsten Reformprojekte überhaupt. Das wird nicht nur Jahre dauern, sondern auch mit Rückschlägen, neuerlichen Hoffnungen und Enttäuschungen verbunden sein. Die Gefühle werden weiter Achterbahn fahren.