nd-aktuell.de / 06.10.2012 / Brandenburg / Seite 14

Grenzgänger mit Gitarre

James Blood Ulmer im A-Trane

1942 in South-Carolina geboren, gehört James Blood Ulmer, genau wie Stanley Jordan, zu den großen Erneuerern des Jazz-Gitarrenspiels. Setzt Jordan jedoch, ähnlich wie Les Paul in den 40er und 50er Jahren, mehr auf die technische Weiterentwicklung, so vereint Ulmer zusätzlich in bisher einmaliger Weise älteste Blues- und Jazzwurzeln mit Jazzrock und Free Jazz zum Free Funk.

Schon als Vierjähriger gitarrenvernarrt, als Halbwüchsiger noch in einem Gospelquartett aktiv, spielte sich Ulmer von Pittsburgh über Detroit 1971 nach New York. Aber nicht, um wie so viele Miles Davis aufzusuchen, sondern für ein neunmonatiges Gastspiel in Minton's Playhouse, dem historischen Stammclub Charlie Parkers. Doch gleichviel arbeitete er mit modernen Traditionalisten wie Art Blakey, Larry Young oder Joe Henderson zusammen. Als er auf Ornette Coleman traf und sich gemeinsam mit dem E-Bassisten Jamal Takuma in dessen »Harmolodic System« vertiefte, konnten Tourneen bis nach Europa mit dem texanischen Plastiksaxofonisten, der den Begriff Free-Jazz prägte, nicht ausbleiben.

Es folgten umjubelte Gastspiele beim New Jazz Festival in Moers. Und die zeitgenössische europäische Jazzgeschichte sollte stolz notieren, dass die erste Einspielung des Künstlers unter eigenem Namen (»Revealing«) 1971 nicht auf einem US- sondern dem Freiburger Label »IN+OUT-records« auf den Markt kam. Arbeitet Ulmer auch mit der schwarz/weißen Speerspitze der Avantgarde wie David Murray oder John Zorn zusammen, zieht es ihn aufgrund seiner Blues- und Harmolodic-Ideen auch zu Künstlern wie James Carter oder Amina Claudine Myers, die beim diesjährigen JazzFest Berlin zu erleben ist.

Ulmers unverwechselbarer Gitarrenklang erzeugt elektrischen Blues mit Verzerrungseffekten á la Jimmy Hendrix - er überschreitet im Gegensatz zu Hendrix aber auch tonale Grenzen. Mit einer selber entwickelten Spezialstimmung für die Gitarre, dies erinnert an den genialen Django Reinhard, reißt Ulmer die Saiten nur mit dem Daumen an und behandelt sein Instrument ähnlich dem verstorbenen Pianisten Thelonius Monk auch perkussiv. Als jahrzehntelanger Mitstreiter sitzt bei der diesjährigen Tournee des James Blood Ulmer Quartets endlich wieder der herausragende Grand Calvin Weston am Schlagzeug.

7.10., 22 Uhr, A-Trane, Pestalozzistr. 105, Charlottenburg