nd-aktuell.de / 25.01.2013 / Politik / Seite 4

Königsmacher

Jair Lapid hat bei den israelischen Wahlen alle überrascht

Christin Odoj

Wenn eine Regierungsbeteiligung lockt, dann gilt in der Politik immer noch der schöne Satz: »Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.« Auch Jair Lapid, den kaum jemand bei der israelischen Knesset-Wahl auf dem Schirm hatte, wandelt sich innerhalb weniger Stunden vom Netanjahu-Kritiker zum potenziellen Königsmacher. Seine Wahlkampfrhetorik, in der er noch gegen egozentrische Klientelpolitiker der Regierung wetterte (»Ich will nicht das Feigenblatt einer ultraorthodoxen und ultrarechten Koalition sein«), ist schnell verflogen. Mittlerweile sei er einfach nur froh, dass Netanjahu »alles übernommen hat, was wir seit einem Jahr über Gleichheit und den Schutz der Mittelklasse sagen«.

Seine Partei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) jedenfalls, stellte ein Parteimitglied unumstößlich klar, sei »keine Linkspartei«. Die Absage, ein starkes Bündnis links der Netanjahu-Allianz zu führen, könnte deutlicher nicht sein. Schon vor der Wahl hatte sich Lapid geweigert, seine Partei irgendeinem Spektrum zuzuordnen. Stimmen für Jesch Atid kamen vor allem aus der sozialen Bewegung, die im Sommer 2011 gegen die horrenden Mietpreise, Kosten für Lebensmittel und Korruption auf die Straße ging.

Der 49-jährige einstige Fernsehmoderator, Schauspieler und Kolumnist, der mit der israelischen Bestseller-Autorin Lihi Lapid verheiratet ist, wandelt nun auf den Spuren seines Vaters. Josef »Tommy« Lapid, dem ehemaligen Vorsitzenden der liberalen Schinui-Partei. Auch er kam über den Journalismus in die Politik und wurde unter Ariel Sharon Justizminister und Vizepremier, zog sich aber mit seiner Kritik an der Militäroperation im Gaza-Streifen 2004 wütende Rüffel aus der damaligen Likud-Regierung zu.

Sein Sohn wiederum hält sich mit klaren Positionierungen zu brisanten Fragen bisher zurück. Der israelische Journalist Shalom Yerushalmi fragt in der Tageszeitung »Ma'ariv« (deren Chefredakteur einmal Josef Lapid hieß) nicht ganz zu unrecht, wie lange sich das jemand leisten kann, der vor einem Jahr noch Kolumnen schrieb und eher seichte Talkshows moderierte.