nd-aktuell.de / 16.03.2013 / Kultur / Seite 26

BLOGwoche: Geißel der Medienwelt

Ein neuer Papst wurde gewählt und für einen Moment schien es, jedenfalls schien es im Fernsehen so, dass die Fernsehnation ausschließlich aus Katholiken besteht. Der Irrtum hatte seine Ursache. Auf die macht Michael Fleischhacker auf www.diepresse.com[1] aufmersam. Das Papst-Konklave sei die »Geißel der neuen Medienwelt«. Da dauert etwas mehrere Wochen, mit Beteiligten, die man nicht einfach jederzeit vor die Kamera bringt und deren öffentliche Aussagen man nicht lesen möchte, weil man sie, da es sich eventuell um Theologie handelt, ohnehin nicht einordnen könnte. Und trotzdem braucht man jeden Tag etwas Neues. Also interviewen Journalisten, die ihre Basisinformationen von aus dritter Hand informierten Journalisten haben, Journalisten, die immerhin aus zweiter Hand informiert sind und zudem über den unschätzbaren Vorzug verfügen, dass sie die Tanten von Journalisten kennen, die einmal bei einer Zeitung gearbeitet haben, bei der es einen gibt, der sich ›Vatikanist‹ nennt.» Auf das Phänomen, dass vieles an der Berichterstattung lächerlich wirkte, hat Fleischhacker eine einleuchtende Antwort: «Journalisten und Redaktionsleiter glauben, sie müssten aus Gründen des Publikumsinteresses über Sachverhalte berichten, die sie selbst für vollkommenen Schwachsinn, für die letzten Reste von mittelalterlicher Denk- und Lebensweise im 21. Jahrhundert halten. Man darf sich nicht wundern, dass dabei so viel lächerliches Zeug herauskommt.»«

Themenwechsel - oder auch nicht. Eine unter dem Pseudonym eigenwach bloggende Journalisten schreibt auf eigenwach.wordpress.com über Erfahrungen, die sie als Teilnehmerin eines Seminars über Boulevardjournalismus im schweizerischen Luzern machte. »Was ich an den drei Kurstagen erfahren habe, bestätigte nicht nur meine Vorurteile - es öffneten sich vielmehr Abgründe, die ich in diesem Ausmaße selbst in Momenten größter Abneigung nicht erwartet hätte.« Wie weit dürfen Boulevardjournalisten gehen? »Da gibt es keine Regel. Entscheidend ist, dass man nach Feierabend noch in den Spiegel blicken kann. Die einen ertragen hässlichere Fratzen im Spiegelbild als andere. Und rechtlich? Da gibt es einen Anwalt, für jede Seite einen. Der nicht nur abschätzt, ob was Unrechtes geschrieben/dargestellt wird, sondern vor allem: Ob man sich es leisten kann. Maßstab dafür ist ein eigens für Rechtsstreitigkeiten eingerichtetes Budget.«

Für potenzielle Opfer des Boulevardjournalismus hat die bloggende Nachwuchsjournalistin einen Rat parat. »Wie erkennt man einen Boulevardjournalisten? Er trägt kurzes Haar und hat immer einen schwarzen Rollkragenpulli dabei. Der Grund: Jemandem, der aussieht wie ein Pfarrer, gibt man bereitwilliger Auskunft.«

Misstrauisch sollte man allerdings werden, wenn ein Mann mit weißem Käppi und Kleid an der Tür klingelt. Im Zweifel ist es nicht der »Bild«-Reporter, sondern der Papst.

Zusammengestellt von: Jürgen Amendt

Links:

  1. http://www.diepresse.com