nd-aktuell.de / 18.07.2013 / Kultur / Seite 17

Junipogrom

Leseprobe

Im Archiv des Centrum Judaicum befinden sich zwei Konvolute von Fotos, die während des Pogroms im Juni 1938 in Berlin geschossen worden sind. Dieser Pogrom war lange vergessen - weil die nachfolgenden Ereignisse die Erinnerungen der Zeitgenossen geprägt haben. Die Fotografien sind in ihrer Geschlossenheit ein sehr beredtes Zeugnis dafür, dass die Erinnerung trügerisch sein kann ... Gleichzeitig bringen die beiden Fotoserien bemerkenswerte Details ans Licht. So ist beispielsweise zu erkennen, dass einige Geschäfte von mehreren Tätern nacheinander völlig beschmiert worden waren und die Täter Leitern mitgeführt hatten. Letzteres weist darauf hin, dass sie eine Strafverfolgung nicht zu fürchten brauchten. Dies erlaubt den Rückschluss, dass die Täter wussten, dass die Polizei - wie so oft - wegschauen würde. Der Pogrom war also staatlich sanktioniert. Bei mindestens zwei der abgebildeten Unternehmen waren überdies die Schaufensterscheiben eingeschlagen worden. Hier deutet sich an, was schriftliche Quellen erhärten: Die Gewalt hatte bereits im Juni 1938 ein für die potenziellen Opfer äußerst bedrohliches Maß angenommen.

Wer die betroffenen Gewerbetreibenden im Einzelnen waren, konnte auf der Grundlage von Vorrecherchen des Centrum Judaicum und mit Hilfe der Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin weitgehend geklärt werden.

Aus dem von Christoph Kreutzmüller, Hermann Simon und Elisabeth Weber herausgegebenen Fotoband »Ein Pogrom im Juni. Fotos antisemitischer Schmierereien in Berlin 1938« (Hentrich & Hentrich, 68 S., br., 14,90 €).