nd-aktuell.de / 16.09.2013 / Politik / Seite 5

Doppelter Standard

Teil X der nd-Serie zur Bundestagswahl

Klaus Joachim Herrmann

Werden auch Wahlen gemeinhin von der Innenpolitik entschieden, ist die Außenpolitik nun doch noch in die Endphase des Kampfes um Stimmen für den Bundestag eingetreten. Für eine deutsche Teilnahme an einem Krieg um Syrien mag sich niemand ernstlich einsetzen. Sei es auch nur in Erinnerung daran, dass Gerhard Schröder einst 2002 wichtigste Stimmen für seine Kanzlerschaft und die SPD mit einem entschiedenen Nein zum Irak-Krieg holte.

Ansonsten kommt die deutsche Außenpolitik seit längerem recht unauffällig und zuweilen schon demonstrativ bescheiden daher. Etwa wie der neue Guido Westerwelle. Jedenfalls seit er nicht mehr das große Wort bei der FDP, sondern nur noch das Außenamt führt. Da kommen Hinweise auf den Wert von Diplomatie und Frieden häufig vor. Von Kritikern kaum weniger verzeichnet werden allerdings auch vorderste Plätze der Bundesrepublik beim Rüstungsexport in alle Welt und besonders immer wieder in Standorte menschenrechtlicher Zweifelsfälle wie Saudi-Arabien oder Katar.

Einen »doppelten Standard« und ein »Spannungsfeld« sehen da nicht nur Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wie Eberhard Sandschneider. Mit klarer Zuweisung an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nennt das Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping eine »Außenpolitik mit der Waffe in der Hand«. Bei Kriegen will ihre Partei nicht mitmachen - ohne Wenn und Aber. Alle anderen im Bundestag haben sich Hintertüren für den Eintritt in ein internationales Schlachtfeld eingebaut. Auch Peer Steinbrück (SPD) macht da nicht den Unterschied.

Doppelter Standard mag auch auf das Verhältnis mit den USA zutreffen. Der US-Geheimdienst kommt für unverschämte Mega-Spitzelei bei seinen Freunden nach einem kurzen spitzen Aufschrei fast ungescholten davon. Dass die NSA eine Regierungsbehörde und das Problem damit ein zwischenstaatliches ist, das auf die höchste Ebene gehörte, konnte erfolgreich verdrängt werden. Der Rest ist Desinteresse, Gewöhnung und Tradition. Die »transatlantische Partnerschaft« soll bei Fortdauer christdemokratischen Regierens sogar noch »gefestigt« werden. Trinkt da nicht gerade jemand von dem Kakao, durch den man ihn zieht?

Entwicklungspolitische Themen spielen traditionell eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend klaffen zwischen Programm und Praxis riesige Lücken. Sowohl die CDU als auch die SPD halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden - eine Selbstverpflichtung aus den 70er Jahren. Derzeit werden lediglich etwas weniger als 0,40 Prozent erreicht. Die SPD stellt deswegen im Falle einer Regierungsübernahme jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich in Aussicht. Die FDP will von einem konkreten Ziel nichts mehr wissen und die Linkspartei fordert die Umsetzung des 0,7-Prozent-Ziels unverzüglich. Wahlentscheidend dürfte das nicht sein, auch wenn in Umfragen viele Wähler sich durchaus für mehr globale Gerechtigkeit aussprechen.