Doppelter Standard

Teil X der nd-Serie zur Bundestagswahl

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Werden auch Wahlen gemeinhin von der Innenpolitik entschieden, ist die Außenpolitik nun doch noch in die Endphase des Kampfes um Stimmen für den Bundestag eingetreten. Für eine deutsche Teilnahme an einem Krieg um Syrien mag sich niemand ernstlich einsetzen. Sei es auch nur in Erinnerung daran, dass Gerhard Schröder einst 2002 wichtigste Stimmen für seine Kanzlerschaft und die SPD mit einem entschiedenen Nein zum Irak-Krieg holte.

Ansonsten kommt die deutsche Außenpolitik seit längerem recht unauffällig und zuweilen schon demonstrativ bescheiden daher. Etwa wie der neue Guido Westerwelle. Jedenfalls seit er nicht mehr das große Wort bei der FDP, sondern nur noch das Außenamt führt. Da kommen Hinweise auf den Wert von Diplomatie und Frieden häufig vor. Von Kritikern kaum weniger verzeichnet werden allerdings auch vorderste Plätze der Bundesrepublik beim Rüstungsexport in alle Welt und besonders immer wieder in Standorte menschenrechtlicher Zweifelsfälle wie Saudi-Arabien oder Katar.

Außenpolitische Positionen der Parteien

CDU/CSU

Atomwaffen: Eine Vereinbarung über einen drastischen Abbau der Atomwaffen eröffnet die Aussicht, das Regelwerk für die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen zu stärken und das Streben weiterer Staaten in den Kreis der Atomwaffenmächte zu stoppen.

Abrüstung: Vor allem die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und insbesondere ihre Weitergabe an Terroristen gilt es zu verhindern. Jede faire und der internationalen Sicherheit dienende Initiative, Atomwaffen abzubauen und die konventionellen Streitkräfte zu begrenzen, werden wir unterstützen.

NATO: Auch nach dem Ende des Kalten Kriegs bleibt die zentrale Verpflichtung des Bündnisses die gemeinsame Verteidigung seiner Mitglieder - auch wenn Einsätze zur Sicherung von Frieden, Freiheit und Stabilität den Schwerpunkt der aktuellen Aufgaben bilden. Die NATO soll für neue Mitglieder weiterhin offen sein ...

Auslandseinsätze: Die Europäische Union braucht eine strategische Diskussion, was sie mit zivilen Mitteln und militärischen Einsätzen erreichen kann und will. Zivile Mittel haben für uns Vorrang. Die bestehenden Fähigkeiten der EU in der zivilen Krisenprävention und in der Krisennachsorge müssen dabei im Sinne des vernetzten Ansatzes von EU und NATO mit den militärischen Fähigkeiten verzahnt werden.

Entwicklung: Die Würde des Menschen steht im Mittelpunkt unseres internationalen Einsatzes für nachhaltige Entwicklung. ... Dies gelingt am besten, indem wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten, damit unsere Partner Verantwortung für die wirkungsvolle Gestaltung des eigenen Landes übernehmen können.

SPD


Atomwaffen: Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen. Wir unterstützen regionale Ansätze für Zonen frei von Massenvernichtungswaffen. Wir wollen, dass im Rahmen eines gesamteuropäischen Abrüstungsvertrages die verbliebenen taktischen Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden.

Abrüstung: Wir wollen zugleich der konventionellen Abrüstung und Rüstungskontrolle neue Impulse geben. Rüstungsexporte in Krisengebiete und in Länder, in denen die Menschenrechte massiv missachtet und verletzt werden, lehnen wir ab. Eine Ausweitung von Rüstungsexporten aus wirtschaftlichen Gründen und als Ersatz für eine gestalterische Außenpolitik lehnen wir entschieden ab.

NATO: Die OSZE, die NATO und die EU haben als Regionalorganisationen mit unterschiedlichen Schwerpunkten eine gemeinsame Verantwortung für Frieden in und für Europa. Wir wollen, dass Deutschland in diesen Organisationen wieder eine aktive und konstruktive Rolle spielt.

Auslandseinsätze: Zivile Krisenprävention und Konfliktregelung haben für uns immer eindeutig Vorrang. Militärische Mittel kommen überhaupt nur als letzte Möglichkeit in Betracht: mit einem klaren Mandat der Vereinten Nationen, einem Beschluss des Deutschen Bundestages und eingebettet in ein politisches Gesamtkonzept.

Entwicklung: Ziele unserer Entwicklungspolitik sind die Überwindung von Armut und Hunger in der Welt, der Schutz der globalen öffentlichen Güter und die Verwirklichung der Menschenrechte. Mit unserer Hilfe unterstützen wir die eigenen Anstrengungen der in Armut lebenden Menschen.

LINKE

Atomwaffen: Die letzten noch in Deutschland stationierten US-Atomwaffen müssen sofort abgezogen und vernichtet werden. Es dürfen keine modernisierten Atombomben in Deutschland stationiert werden und keine Mittel für die Modernisierung der Trägerflugzeuge für den Abwurf von Atombomben bereitgestellt werden. DIE LINKE tritt mit Nachdruck für eine vertragliche Ächtung von Atomwaffen weltweit ein.

Abrüstung: Jede Waffe, die aus Deutschland exportiert wird, dient der Aufrüstung eines anderen Landes, fördert Unterdrückung und macht es möglich, dass anderswo in der Welt Konflikte gewaltsam ausgetragen und Kriege geführt werden. DIE LINKE fordert ein Verbot aller Rüstungsproduktion und Rüstungsexporte - ohne Ausnahmen.

NATO: Wir fordern die Auflösung der NATO. Sie soll durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands ersetzt werden, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat. Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt.

Auslandseinsätze: DIE LINKE wird sich nicht an einer Regierung beteiligen, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt.

Entwicklung: Wir wollen die ungerechten weltweiten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen so verändern, dass reale Entwicklungschancen für die Menschen entstehen. (Wir) setzen ... uns für eine Neuausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit ein, die auf die Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen in den Ländern des Südens ausgerichtet ist.

Grüne

Atomwaffen: Wir wollen den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und kämpfen für Global Zero, für eine Welt ohne Atomwaffen - deshalb streiten wir auch weiterhin für eine Nuklearwaffenkonvention, um Atomwaffen völkerrechtlich zu ächten. Die Stationierung von Atomwaffen in Büchel und die Befähigung deutscher Flugzeuge und PilotInnen zum Einsatz oder Transport von Atomwaffen müssen beendet werden.

Abrüstung: (Wir) wollen (...) ein verbindliches und restriktives Rüstungsexportgesetz einführen, das deutsche Rüstungsexporte nur nach klaren Kriterien erlaubt. Rüstungsexporte in Staaten, die Menschenrechte mit Füßen treten, darf es nicht mehr geben.

NATO: Ihre bisherige starke Ausrichtung auf die militärische Absicherung von Staaten genügt nicht unseren Ansprüchen an Friedenspolitik. Nach dem Ende der Block-Konfrontation muss sie ihre Aufgaben neu ausrichten. Das kann nur gelingen, wenn Russland und alle osteuropäischen Länder eingebunden werden.

Auslandseinsätze: Frieden lässt sich nicht militärisch erzwingen. Aber Friedenspolitik heißt für uns nicht absoluter Verzicht auf militärisches Eingreifen. Es gibt Situationen, in denen gewaltsames militärisches Eingreifen notwendig ist, um schwerste Menschenrechtsverletzungen oder gar Völkermord zu verhindern oder zu stoppen.

Entwicklung: Wir wollen eine gerechtere Verteilung des Reichtums in der Welt erreichen. Wir wollen eine zukunftsfähige Entwicklungspolitik gestalten, die die Überwindung von Armut mit der Stärkung der Menschenrechte und dem Schutz der Umwelt und der biologischen Vielfalt in Einklang bringt.

FDP

Atomwaffen: Speziell im Rahmen der nuklearen Rüstungskontrolle setzen wir uns konsequent für eine umfassende Stärkung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages und für ein Inkrafttreten des Teststoppvertrages ein. An dem Ziel eines Abzugs taktischer Nuklearwaffen aus Europa halten wir fest.

Abrüstung: Unser Ziel ist die Stärkung der nuklearen, radiologischen, chemischen und biologischen sowie konventionellen Kontroll- und Nichtverbreitungsregime. Die Kontrolle über den weiteren Verbleib und die Verwendung exportierter Waffen und Rüstungsgüter ist auszubauen. Die Rüstungskontrolle ist auf neue Technologien der modernen Kriegsführung wie zum Beispiel Spionagesoftware auszuweiten.

NATO: Die NATO bleibt auch in Zukunft stärkster Anker unserer gemeinsamen Sicherheitspolitik. Sie selbst, aber auch die anderen bedeutenden internationalen Friedens- und Sicherheitsorganisationen (UNO, OSZE, Europarat, EU) müssen in ihrer Handlungsfähigkeit fortlaufend gestärkt werden. (Es) ... sollen langfristig die Voraussetzungen für europäische Streitkräfte unter parlamentarischer Kontrolle geschaffen werden.

Auslandseinsätze: Wir halten an der deutschen Sicherheitspolitik und an der Kultur der militärischen Zurückhaltung fest. Wo es dennoch nötig ist, machen sich unsere Soldaten um den Frieden weltweit verdient. Vor Beginn von Einsätzen in Krisengebieten müssen die politischen Ziele und Zeitlinien sowie eine Exit-Strategie klar formuliert sein.

Entwicklung: Wir wollen die Entwicklungsländer nicht versorgen, sondern wir wollen sie ertüchtigen, eigenverantwortlich für sich selbst zu sorgen und vorzusorgen.

Einen »doppelten Standard« und ein »Spannungsfeld« sehen da nicht nur Experten der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wie Eberhard Sandschneider. Mit klarer Zuweisung an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nennt das Linkspartei-Vorsitzende Katja Kipping eine »Außenpolitik mit der Waffe in der Hand«. Bei Kriegen will ihre Partei nicht mitmachen - ohne Wenn und Aber. Alle anderen im Bundestag haben sich Hintertüren für den Eintritt in ein internationales Schlachtfeld eingebaut. Auch Peer Steinbrück (SPD) macht da nicht den Unterschied.

Doppelter Standard mag auch auf das Verhältnis mit den USA zutreffen. Der US-Geheimdienst kommt für unverschämte Mega-Spitzelei bei seinen Freunden nach einem kurzen spitzen Aufschrei fast ungescholten davon. Dass die NSA eine Regierungsbehörde und das Problem damit ein zwischenstaatliches ist, das auf die höchste Ebene gehörte, konnte erfolgreich verdrängt werden. Der Rest ist Desinteresse, Gewöhnung und Tradition. Die »transatlantische Partnerschaft« soll bei Fortdauer christdemokratischen Regierens sogar noch »gefestigt« werden. Trinkt da nicht gerade jemand von dem Kakao, durch den man ihn zieht?

Entwicklungspolitische Themen spielen traditionell eine untergeordnete Rolle. Dementsprechend klaffen zwischen Programm und Praxis riesige Lücken. Sowohl die CDU als auch die SPD halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden - eine Selbstverpflichtung aus den 70er Jahren. Derzeit werden lediglich etwas weniger als 0,40 Prozent erreicht. Die SPD stellt deswegen im Falle einer Regierungsübernahme jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich in Aussicht. Die FDP will von einem konkreten Ziel nichts mehr wissen und die Linkspartei fordert die Umsetzung des 0,7-Prozent-Ziels unverzüglich. Wahlentscheidend dürfte das nicht sein, auch wenn in Umfragen viele Wähler sich durchaus für mehr globale Gerechtigkeit aussprechen.

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