Eklat bei der Tageszeitung «junge Welt» (jW): Anfang Februar meldeten sich fünf leitende Redakteure krank. Hintergrund soll nach ND-Informationen ein seit einiger Zeit schwelender Konflikt zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung des einstigen FDJ-Blattes sein.
Berlin (ND-Amendt). Zum Bruch zwischen Chefredaktion und Geschäftsführung kam es offenbar, als jW-Geschäftsführer Dietmar Koschmieder den vakanten Posten der Themenredakteurin gegen den Willen des Chefredakteurs Holger Becker neu besetzen wollte. Die bisherige Verantwortliche für die Thema-Seiten, Susanne Milkau, war Ende Januar aus dem Impressum der Zeitung verschwunden. Was Becker «Georg-Orwell-Methoden» nennt, kommt für Kenner des Blattes nicht überraschend. Lange schon soll die Position Beckers innerhalb der Redaktion umstritten gewesen sein. Von selbstherrlichem Stil ist die Rede und dass er die Zeitung auf eine nationalkommunistische Linie habe trimmen wollen. Becker selbst soll die Zielgruppe der jW so umschrieben haben: Geschichtsstolze DDR-Bürger, die den Verrat der PDS-Führung geißeln. Koschmieder habe mit der Neubesetzung des Postens der Themen-Redakteurin ein Gegengewicht zu Beckers Position schaffen wollen, heißt es. Feuilletonchef Arnold Schölzel sieht in dem Streit dagegen vor rangig keine politischen Motive. Von der Eskalation der Ereignisse sei die Redaktion überrascht worden, erklärte er auf ND- Nachfrage.
Dietmar Koschmieder wollte gegenüber ND den Vorgang nicht kommentieren. Er spielte den Konflikt zu «Meinungsver schiedenheiten» herunter. Die 22-köpfige Redaktion sei auch ohne Becker, dessen Stellvertreter Werner Pirker, den Leiter des Ressorts Innenpolitik Uwe Soukup, Susanne Milkau und die Interview-Chefin Ulrike Schulz arbeitsfähig. Wenn über haupt, sei der Konflikt keiner zwischen ihm und Becker, sondern «zwischen einer kleinen Fraktion und dem großen Rest der Belegschaft».
Wie es weiter gehen soll, soll eine außerordentliche Hauptversammlung der jW-Genossenschaft am 4. März klären. Nach Auskunft von Holger Becker gibt es dafür zwei Einladungen: eine vom Vorstand, die andere vom Aufsichtsrat der Genossenschaft. Für weiteren Zündstoff ist gesorgt, da der dreiköpfige Vorstand, dem zwei der fünf krank geschriebenen Redakteure angehören, vor kurzem vom Aufsichtsrat wegen «Handlungsunfähigkeit» abgesetzt wurde.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/847831.polit-grippe-in-der-jungen-welt.html