nd-aktuell.de / 13.01.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Novartis unter Druck

In Japan und in den USA drohen dem Schweizer Pharmariesen Strafzahlungen

Susanne Steffen, Tokio
Erstmals hat das japanische Gesundheitsministerium gegen einen Pharmakonzern Anzeige wegen irreführender Werbung eingereicht. Der Beschuldigte ist Novartis.

Japans Gesundheitsministerium geht gegen eine Tochtergesellschaft des Baseler Pharmaunternehmens Novartis vor. Die Behörden werfen ihr irreführende Werbung mit manipulierten klinischen Studien vor. Das Ministerium hat daher nun Strafanzeige gestellt. Dies ist laut offiziellen Angaben das erste Mal, dass der japanische Staat wegen verbotener irreführender Pharmawerbung zu einem solch drastischen Schritt greift.

In seiner Werbekampagne hatte Novartis wiederholt unter Berufung auf die Studien behauptet, sein Medikament Diovan senke das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte stärker als andere blutdrucksenkende Mittel. Die Kyoto Prefectural University und die in Tokio ansässige Jikei-Universität hatten ihre Studien jedoch zurückgezogen, nachdem interne Untersuchungen ergeben hatten, dass das Datenmaterial manipuliert worden war. An den Studien war auch ein damaliger Mitarbeiter des Unternehmens beteiligt, ohne sein Verhältnis zu Novartis offenzulegen.

Das Gesundheitsministerium hatte bereits im vergangenen September in einem Zwischenbericht den Vorwurf erhoben, die Verwendung der Studien in der Werbekampagne erfülle möglicherweise den Tatbestand der Irreführung. »Der Verdacht erhärtet sich, dass (Novartis) die Daten wiederholt für Werbezwecke genutzt hat, obwohl das Unternehmen von der Datenmanipulation wusste«, erklärte jetzt ein Ministeriumssprecher. Trotz ausführlicher Untersuchungen seien aber noch nicht alle Zusammenhänge bekannt. Das Ministerium sei an die Grenzen seiner Untersuchungsmöglichkeiten gestoßen, begründete er die Anzeige.

Die Japantochter von Novartis wies die Vorwürfe zurück. Dem Unternehmen seien die Manipulationen der klinischen Daten nicht bekannt gewesen. In einer Erklärung entschuldigte sich das Unternehmen für die Unannehmlichkeiten, die es der japanischen Öffentlichkeit bereitet. Novartis nehme die Anzeige sehr ernst und werde weiterhin eng mit den Behörden zusammenarbeiten, beteuerte das Unternehmen auf seiner japanischen Homepage.

Nach Bekanntwerden der Datenmanipulation stoppten mehrere Krankenhäuser im Land den Einsatz von Diovan. Novartis erzielte zuletzt allein in Japan mit dem Blutdrucksenker einen Umsatz von jährlich etwa 100 Milliarden Yen (700 Millionen Euro). Das Medikament ist ein globaler Verkaufsschlager und unter verschiedenen Handelsnamen in mehr als einhundert Staaten zugelassen. Den Diovan-Wirkstoff Valsartan hatte sich der Novartis-Vorgänger Ciba-Geigy im Jahr 1991 patentieren lassen.

Sollte Novartis in einem eventuellen Gerichtsverfahren schuldig gesprochen werden, drohen den Verantwortlichen Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren bzw. Geldstrafen von maximal zwei Millionen Yen. Auch das Unternehmen kann bestraft werden. Der weitaus größte Schaden dürfte jedoch der Imageverlust auf dem japanischen Markt sein.