Novartis unter Druck

In Japan und in den USA drohen dem Schweizer Pharmariesen Strafzahlungen

  • Susanne Steffen, Tokio
  • Lesedauer: 2 Min.
Erstmals hat das japanische Gesundheitsministerium gegen einen Pharmakonzern Anzeige wegen irreführender Werbung eingereicht. Der Beschuldigte ist Novartis.

Japans Gesundheitsministerium geht gegen eine Tochtergesellschaft des Baseler Pharmaunternehmens Novartis vor. Die Behörden werfen ihr irreführende Werbung mit manipulierten klinischen Studien vor. Das Ministerium hat daher nun Strafanzeige gestellt. Dies ist laut offiziellen Angaben das erste Mal, dass der japanische Staat wegen verbotener irreführender Pharmawerbung zu einem solch drastischen Schritt greift.

In seiner Werbekampagne hatte Novartis wiederholt unter Berufung auf die Studien behauptet, sein Medikament Diovan senke das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkte stärker als andere blutdrucksenkende Mittel. Die Kyoto Prefectural University und die in Tokio ansässige Jikei-Universität hatten ihre Studien jedoch zurückgezogen, nachdem interne Untersuchungen ergeben hatten, dass das Datenmaterial manipuliert worden war. An den Studien war auch ein damaliger Mitarbeiter des Unternehmens beteiligt, ohne sein Verhältnis zu Novartis offenzulegen.

Affäre um Schmiergeld

Auch in den USA ist Novartis ins Visier der Justiz geraten. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat den Pharmariesen angeklagt, den Verkauf eines Medikaments mit Schmiergeldzahlungen an einen Großhändler befördert zu haben. Das Medikament Exjade, das gegen einen erhöhten Eisenwert im Blut wirkt, war wegen Nebenwirkungen in die Kritik geraten. Novartis weist den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück.

Solche Zahlungen, sogenannte »kickbacks«, kommen in der Branche immer wieder vor. Auch Generalstaatsanwälte in acht US-Bundesstaaten haben deswegen Klage gegen Novartis erhoben. Dem Konzern wird vorgeworfen, durch Schmiergeldzahlungen an die Pharma-Vertriebskette BioScrip aus New York dafür gesorgt zu haben, dass der Verkauf der eigenen Exjade-Tabletten vorangetrieben wurde.

Novartis habe durch »Beratung und Schulung« gegen Geld dafür gesorgt, dass den Patienten einseitig zu diesem Medikament geraten wurde »und die ernsten, potenziell lebensbedrohlichen Nebeneffekte verschwiegen wurden«, heißt es in der Klageschrift von Bundesanwalt Preet Bharara. Durch das Verschleiern der illegalen finanziellen Zuwendungen sei den staatlichen US-Gesundheitsprogrammen Medicare und Medicaid ein Schaden in Höhe von Dutzenden Millionen Dollar entstanden. Nach Angaben von Bundesanwalt Bharara sind die Behörden durch einen »Whistleblower«, einen internen Informanten, auf die Schmiergeldaffäre aufmerksam gemacht worden.

In der Klage teilten sowohl Bharara als die Ankläger aus den Bundesstaaten mit, dass sie mit dem Pharma-Vermarkter BioScrip bereits eine Vereinbarung getroffen haben. Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, bezahlt BioScrip 15 Millionen Dollar an die staatlichen Gesundheitsprogramme. John Dyer

Das Gesundheitsministerium hatte bereits im vergangenen September in einem Zwischenbericht den Vorwurf erhoben, die Verwendung der Studien in der Werbekampagne erfülle möglicherweise den Tatbestand der Irreführung. »Der Verdacht erhärtet sich, dass (Novartis) die Daten wiederholt für Werbezwecke genutzt hat, obwohl das Unternehmen von der Datenmanipulation wusste«, erklärte jetzt ein Ministeriumssprecher. Trotz ausführlicher Untersuchungen seien aber noch nicht alle Zusammenhänge bekannt. Das Ministerium sei an die Grenzen seiner Untersuchungsmöglichkeiten gestoßen, begründete er die Anzeige.

Die Japantochter von Novartis wies die Vorwürfe zurück. Dem Unternehmen seien die Manipulationen der klinischen Daten nicht bekannt gewesen. In einer Erklärung entschuldigte sich das Unternehmen für die Unannehmlichkeiten, die es der japanischen Öffentlichkeit bereitet. Novartis nehme die Anzeige sehr ernst und werde weiterhin eng mit den Behörden zusammenarbeiten, beteuerte das Unternehmen auf seiner japanischen Homepage.

Nach Bekanntwerden der Datenmanipulation stoppten mehrere Krankenhäuser im Land den Einsatz von Diovan. Novartis erzielte zuletzt allein in Japan mit dem Blutdrucksenker einen Umsatz von jährlich etwa 100 Milliarden Yen (700 Millionen Euro). Das Medikament ist ein globaler Verkaufsschlager und unter verschiedenen Handelsnamen in mehr als einhundert Staaten zugelassen. Den Diovan-Wirkstoff Valsartan hatte sich der Novartis-Vorgänger Ciba-Geigy im Jahr 1991 patentieren lassen.

Sollte Novartis in einem eventuellen Gerichtsverfahren schuldig gesprochen werden, drohen den Verantwortlichen Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren bzw. Geldstrafen von maximal zwei Millionen Yen. Auch das Unternehmen kann bestraft werden. Der weitaus größte Schaden dürfte jedoch der Imageverlust auf dem japanischen Markt sein.

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