nd-aktuell.de / 26.02.2014 / Politik / Seite 6

Deutschland hat ein Rassismusproblem

Europarat kritisiert Ignoranz gegenüber Fremdenfeindlichkeit

Aert van Riel
Nach Ansicht der Antirassismus-Kommission des Europarats (ECRI) muss Deutschland mehr gegen Rassismus tun. In ihrem Bericht fordert die ECRI eine Verschärfung des Strafrechts.

Deutschland steht wegen seines Umgangs mit Rassismus in der Kritik. In einem Bericht der Antirassismus-Kommission des Europarats, der am Dienstag in Straßburg veröffentlicht wurde, erklären die Autoren, dass einige Themen Anlass zur Sorge geben würden. Dazu zählt der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft. Die Kommission, die die Zeit zwischen 2008 und 2013 untersucht hatte, kritisiert in diesem Zusammenhang die Debatten nach der »Warnung« des Deutschen Städtetages vor Einwanderern aus Rumänien und Bulgarien. Die CSU hatte sich dabei für einen harten Kurs gegen osteuropäische Migranten ausgesprochen. Auch die rassistischen Bemerkungen in Thilo Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab« und die Unterstützer des SPD-Mannes werden in dem Bericht gerügt.

Ein schlechtes Zeugnis stellen die Autoren der deutschen Polizei aus. Trotz der fehlerhaften Ermittlungen zur NSU-Mordserie würden rassistische Motive von Straftaten weiter viel zu schnell ausgeschlossen. Dies habe dazu geführt, dass bei Brandstiftungen in Wohnungen, in denen Türken leben, türkische Behörden die deutsche Polizei darauf hinweisen mussten, auch möglichen fremdenfeindlichen Motiven nachzugehen. Die LINKE-Abgeordneten Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen meinten, dass »Polizeibehörden und Regierungspolitiker dem Rassismus in Deutschland vielfach aktiv Vorschub leisten«. Im vergangenen Jahr habe die Bundespolizei bei der Suche nach Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis rund 380 000 Personen nur aufgrund ihres vermeintlich nichtdeutschen Aussehens in Zügen und Bahnhöfen kontrolliert.

Allerdings sieht der Bericht auch Fortschritte. So wird die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gelobt, die allerdings nach Auffassung der ECRI mehr Geld bekommen sollte. Zudem erneuert die Kommission ihre Forderung, bei Straftaten eine rassistische Motivation als erschwerenden Umstand zu werten. Insgesamt werde bei Gerichtsurteilen sehr selten Rassismus als Grund für eine Straftat erwähnt. Eine Gesetzesinitiative des Bundesrats, die eine härtere Bestrafung von Tätern ermöglichen sollte, die aus menschenverachtenden Motiven gehandelt haben, scheiterte im Oktober 2012 an der damaligen schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag. Die ECRI moniert, dass es im Bereich Aufstachelung zum Hass »einen erheblichen Grad von Straffreiheit« gebe.

Ein düsteres Bild zeichnet der Bericht von der Situation der LGBT-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans). Es gebe eine erhebliche Diskriminierung, was tendenziell dazu führe, dass LGBT-Personen ihre sexuelle Orientierung verbergen. Besonders in den Schulen gebe es ein hohes Maß an Homo- beziehungsweise Transphobie.

Auch deswegen rät die Kommission, das System zur Erfassung von »rassistischen, fremdenfeindlichen, homo- und transphoben Zwischenfällen« zu reformieren. Das Ausmaß von Fremdenfeindlichkeit und Homophobie werde von offiziellen Statistiken nicht wiedergegeben. So haben etwa Recherchen von Nichtregierungsorganisationen höhere Zahlen von rechten Gewalttaten ergeben, als offiziell verlautbart wird.

Dass in einigen Regionen die rechte Gewalt zunimmt, zeigt eine Erhebung der Opferberatung RAA Sachsen. Sie registrierte im Freistaat im vergangenen Jahr insgesamt 223 Angriffe, bei denen 319 Menschen zu Schaden kamen. 2012 wurden 155 Angriffe gezählt. Ein Großteil der Angriffe wurde aus rassistischen Motiven begangen.

Um ein realistisches Bild vom Ausmaß rechter Gewalt nach 1990 zu bekommen, sollen nach dem Willen der sächsischen Grünen nun auch Körperverletzung oder Banküberfälle auf mögliche rechte Motive untersucht werden.