Deutschland hat ein Rassismusproblem

Europarat kritisiert Ignoranz gegenüber Fremdenfeindlichkeit

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Ansicht der Antirassismus-Kommission des Europarats (ECRI) muss Deutschland mehr gegen Rassismus tun. In ihrem Bericht fordert die ECRI eine Verschärfung des Strafrechts.

Deutschland steht wegen seines Umgangs mit Rassismus in der Kritik. In einem Bericht der Antirassismus-Kommission des Europarats, der am Dienstag in Straßburg veröffentlicht wurde, erklären die Autoren, dass einige Themen Anlass zur Sorge geben würden. Dazu zählt der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft. Die Kommission, die die Zeit zwischen 2008 und 2013 untersucht hatte, kritisiert in diesem Zusammenhang die Debatten nach der »Warnung« des Deutschen Städtetages vor Einwanderern aus Rumänien und Bulgarien. Die CSU hatte sich dabei für einen harten Kurs gegen osteuropäische Migranten ausgesprochen. Auch die rassistischen Bemerkungen in Thilo Sarrazins Buch »Deutschland schafft sich ab« und die Unterstützer des SPD-Mannes werden in dem Bericht gerügt.

Ein schlechtes Zeugnis stellen die Autoren der deutschen Polizei aus. Trotz der fehlerhaften Ermittlungen zur NSU-Mordserie würden rassistische Motive von Straftaten weiter viel zu schnell ausgeschlossen. Dies habe dazu geführt, dass bei Brandstiftungen in Wohnungen, in denen Türken leben, türkische Behörden die deutsche Polizei darauf hinweisen mussten, auch möglichen fremdenfeindlichen Motiven nachzugehen. Die LINKE-Abgeordneten Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen meinten, dass »Polizeibehörden und Regierungspolitiker dem Rassismus in Deutschland vielfach aktiv Vorschub leisten«. Im vergangenen Jahr habe die Bundespolizei bei der Suche nach Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis rund 380 000 Personen nur aufgrund ihres vermeintlich nichtdeutschen Aussehens in Zügen und Bahnhöfen kontrolliert.

Im Gedenken ... institutioneller Rassismus

Im Gedenken

Rostock. Das Mahnmal zur Erinnerung an das mutmaßliche Opfer des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU), Mehmet Turgut, ist am Dienstag in Rostock eingeweiht worden. Es besteht aus zwei, sich versetzt gegenüberstehenden Betonbänken mit Inschriften in deutscher und türkischer Sprache. Turgut war am 24. Februar 2004 in einem Imbisscontainer im Rostocker Stadtteil Toitenwinkel ermordet worden.

Der von dem Leipziger Künstler Tobias-David Albert gestaltete Gedenkort soll nach Worten von Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) am Tatort zum leisen Dialog und zu Begegnungen zwischen Menschen anregen. Die Rostocker Initiative »Mord verjährt nicht!« forderte auf der Gedenkveranstaltung neben dem Mahnmal auch eine Straßenumbenennung für Mehmet Turgut. dpa/nd Foto: dpa/Axel Heimken

Staatsverdacht gegen Hautfarben

Berlin. Nach der Kritik des Europarats am Umgang mit Rassismus in Deutschland fordert das Deutsche Institut für Menschenrechte ein Aus von Personenkontrollen aufgrund der Hautfarbe. Die Institutsdirektorin Beate Rudolf begrüßte am Dienstag in Berlin die Kritik der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz an der Praxis des sogenannten Racial Profiling. Rudolf verlangte, Personenkontrollen der Polizei immer an einem konkreten Verdacht festzumachen.

Das Institut und weitere Menschenrechts- und Migrantenorganisationen haben in der Vergangenheit wiederholt eine Abschaffung des Gesetzes gefordert, das verdachtsunabhängige Personenkontrollen aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale erlaubt. Ein genereller Verdacht liegt dem Vorgehen zugrunde: Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht nämlich.

Die Praxis ist in Deutschland umstritten: Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz gab im Oktober 2012 einem Studenten aus Kassel Recht, der sich gegen solch eine Kontrolle juristisch wehrte. Die Richter erklärten damals für unzulässig, die Hautfarbe zum Auswahlkriterium bei Personenkontrollen zu machen. epd/nd

Allerdings sieht der Bericht auch Fortschritte. So wird die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gelobt, die allerdings nach Auffassung der ECRI mehr Geld bekommen sollte. Zudem erneuert die Kommission ihre Forderung, bei Straftaten eine rassistische Motivation als erschwerenden Umstand zu werten. Insgesamt werde bei Gerichtsurteilen sehr selten Rassismus als Grund für eine Straftat erwähnt. Eine Gesetzesinitiative des Bundesrats, die eine härtere Bestrafung von Tätern ermöglichen sollte, die aus menschenverachtenden Motiven gehandelt haben, scheiterte im Oktober 2012 an der damaligen schwarz-gelben Mehrheit im Bundestag. Die ECRI moniert, dass es im Bereich Aufstachelung zum Hass »einen erheblichen Grad von Straffreiheit« gebe.

Ein düsteres Bild zeichnet der Bericht von der Situation der LGBT-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans). Es gebe eine erhebliche Diskriminierung, was tendenziell dazu führe, dass LGBT-Personen ihre sexuelle Orientierung verbergen. Besonders in den Schulen gebe es ein hohes Maß an Homo- beziehungsweise Transphobie.

Auch deswegen rät die Kommission, das System zur Erfassung von »rassistischen, fremdenfeindlichen, homo- und transphoben Zwischenfällen« zu reformieren. Das Ausmaß von Fremdenfeindlichkeit und Homophobie werde von offiziellen Statistiken nicht wiedergegeben. So haben etwa Recherchen von Nichtregierungsorganisationen höhere Zahlen von rechten Gewalttaten ergeben, als offiziell verlautbart wird.

Dass in einigen Regionen die rechte Gewalt zunimmt, zeigt eine Erhebung der Opferberatung RAA Sachsen. Sie registrierte im Freistaat im vergangenen Jahr insgesamt 223 Angriffe, bei denen 319 Menschen zu Schaden kamen. 2012 wurden 155 Angriffe gezählt. Ein Großteil der Angriffe wurde aus rassistischen Motiven begangen.

Um ein realistisches Bild vom Ausmaß rechter Gewalt nach 1990 zu bekommen, sollen nach dem Willen der sächsischen Grünen nun auch Körperverletzung oder Banküberfälle auf mögliche rechte Motive untersucht werden.

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