nd-aktuell.de / 14.03.2014 / Politik / Seite 2

Weg mit dem Dreck!

Das giftige Erbe stammt noch aus der Kaiser- und der Nazizeit

René Heilig
Bei Munster in der Lüneburger Heide kämpft man noch immer gegen Todesdrohungen zweier Weltkriege. Hier wird Kampfstoffmunition gefunden und vernichtet. Noch mindestens zwei Jahrzehnte lang.

1916, mitten im Ersten Weltkrieg wurde nahe Munster das Breloh-Lager errichtet. Ein Gaspionier-Regiment zog ein, im Jahr darauf erteilte das preußische Kriegsministerium den Befehl, auf rund 6500 Hektar eine Gasmunitionsanstalt aufzubauen. In drei Werken stellte man chemische Kampfstoffe her, befüllte Munition damit und testete sie. Grünkreuz, Gelbkreuz, Blaukreuz - ein Viertel der gesamten Kampfstoffmunition für das deutsche Heer kam aus Munster. Nach Kriegsende lagerten dort etwa 48 000 Tonnen Kampfstoff-Munition, dazu Tausende Tonnen kampfstoffgefüllte Beutemunition und 40 Kesselwagen unverfüllte Kampfstoffe. All das wollte man schon damals in der Nord- und Ostsee versenken.

Doch am 24. Oktober 1919, einem Freitag, flog alles in die Luft. Eine Million Granaten explodierten, im Radius von drei Kilometern war alles verseucht. 1935 übernahmen die neugegründete Deutsche Wehrmacht den »Kampfstoffversuchs- und Geschützübungsplatz«. Die 6500 Hektar des ehemaligen Platzes hat man durch Ankäufe und Enteignungen für die Heeresversuchstelle Munster-Nord auf 10 200 Hektar erweitert. Wieder wurden C-Waffen entwickelt und erprobt. Vor allem Sarin und Lost. Nach dem Krieg besetzten die Briten das Gebiet, man ließ das Teufelszeug abtransportieren, doch eine seriöse Entsorgung des Gebietes fand nicht statt. Seit 1956 - da übernahm die Bundeswehr den Platz - findet man Jahr und Jahr Hunderte Kampfstoffgranaten. Fachleute begannen an besonders kontaminierten Stellen mit der Bodenwäsche.

Doch auch aus anderen Teilen Deutschlands werden Kampfstoffgranaten und Bomben unterschiedlichster Kaliber und Befüllungen zur GEKA nach Munster geschafft. Die bundeseigene Gesellschaft zur Entsorgung von chemischen Kampfstoffen und Rüstungsaltlasten besteht seit 1997. Sie sichert vom Transport bis zur Vernichtung die gesamte Entsorgungskette. In der Regel befindet sich die im Erdreich gefundene Munition in einem sehr gefährlichen Zustand. Vor allem der Rost leistet ganze Arbeit. Die 140 GEKA-Mitarbeiter betreiben drei Verbrennungs- sowie Delaborierungsanlagen für konventionelle und chemische Munition sowie eine Bodenwaschanlage.

Die Masse des zurückbleibenden Materials ist hochwertiger Schrott. Dazu kommen Schlacke und Sand. Worüber sich vor allem die Deponie im Landkreis freut, deren Hausmüllabfallgelände nach neuen EU-Regeln überdimensioniert ist. Nach der Verbrennung der Substanzen bleiben jedoch hochgiftige Reste, vor allem Salze zurück. Jährlich 200 Tonnen. Demnächst sollen die Hinterlassenschaften der syrischen C-Waffen-Produktion ihren Weg nach Thüringen nehmen. In einem Kalischacht bei Sondershausen werden sie endgelagert.