nd-aktuell.de / 21.03.2014 / Politik / Seite 4

Netzästhetin

Gesche Joost wird Deutschlands Netzberaterin der EU-Kommission

Uwe Kalbe

Jung, fotogen, locker und klug - und sie trage sogar einen Professorentitel. So wurde Gesche Joost der Welt im letzten Jahr von der »Welt« vorgestellt. Das war im Mai, als die 39-Jährige ins Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück berufen worden war. Steinbrück, zu dessen Beraterkreis sie bereits seit 2006 gehörte, machte Gesche Joost zu seiner Fachfrau fürs Digitale und brachte damit auch nörgelnde SPD-Nerds unter seinen Wahlkampfhut.

Steinbrück wurde nicht Kanzler, und so verschwand Joost schnell wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Bis zum Mittwoch. Da teilte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit, die Design-Professorin an der Universität der Künste in Berlin werde in Zukunft der EU-Kommission zur Verfügung stehen - als digitale Botschafterin.

Was tut eine digitale Botschafterin? Sie sei unabhängige Beraterin und ehrenamtlich tätig, heißt es. Und mit den Vertretern der anderen EU-Länder sei es ihr Ziel, für einen allumfassenden Zugang ins Internet zu sorgen. Damit wird sie wohl im Interesse ihres geistigen und materiellen Unterhalts tun, was sie auch bisher getan hat. Gesche Joost ist Designforscherin und Leiterin des Design Research Lab an ihrer Universität. Auf Veranstaltungen referiert sie über die sich verändernde Arbeitswelten oder über netzbedingte neue Rollenverständnisse, und auf der weltgrößten Informationstechnologiemesse vergab sie als Jury-Vorsitzende den CeBIT Innovation Award.

Doch auch wenn Gesche Joost gern von Brücken spricht, die sie zwischen Netz und Gemeinde schlagen möchte, von Gräben, die sie zuschütten, und vom Dialog zwischen Mensch und Maschine, den sie erforschen will - in erster Linie haben sie daran bisher wohl die ästhetischen Momente fasziniert. Das frauengerechte Design von Handyschalen war Gegenstand ihrer Erkundungen, und ein erfolgreiches Handy für Senioren hat sie mitentwickelt. Über die machtpolitischen Seiten des Netzes, über NSA-Spähangriffe und Datensammelwut von Konzernen sprach sie in ihren Steinbrück-Beraterzeiten eher etwas ungelenk.