Netzästhetin

Gesche Joost wird Deutschlands Netzberaterin der EU-Kommission

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Jung, fotogen, locker und klug - und sie trage sogar einen Professorentitel. So wurde Gesche Joost der Welt im letzten Jahr von der »Welt« vorgestellt. Das war im Mai, als die 39-Jährige ins Wahlkampfteam von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück berufen worden war. Steinbrück, zu dessen Beraterkreis sie bereits seit 2006 gehörte, machte Gesche Joost zu seiner Fachfrau fürs Digitale und brachte damit auch nörgelnde SPD-Nerds unter seinen Wahlkampfhut.

Steinbrück wurde nicht Kanzler, und so verschwand Joost schnell wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Bis zum Mittwoch. Da teilte SPD-Chef Sigmar Gabriel mit, die Design-Professorin an der Universität der Künste in Berlin werde in Zukunft der EU-Kommission zur Verfügung stehen - als digitale Botschafterin.

Was tut eine digitale Botschafterin? Sie sei unabhängige Beraterin und ehrenamtlich tätig, heißt es. Und mit den Vertretern der anderen EU-Länder sei es ihr Ziel, für einen allumfassenden Zugang ins Internet zu sorgen. Damit wird sie wohl im Interesse ihres geistigen und materiellen Unterhalts tun, was sie auch bisher getan hat. Gesche Joost ist Designforscherin und Leiterin des Design Research Lab an ihrer Universität. Auf Veranstaltungen referiert sie über die sich verändernde Arbeitswelten oder über netzbedingte neue Rollenverständnisse, und auf der weltgrößten Informationstechnologiemesse vergab sie als Jury-Vorsitzende den CeBIT Innovation Award.

Doch auch wenn Gesche Joost gern von Brücken spricht, die sie zwischen Netz und Gemeinde schlagen möchte, von Gräben, die sie zuschütten, und vom Dialog zwischen Mensch und Maschine, den sie erforschen will - in erster Linie haben sie daran bisher wohl die ästhetischen Momente fasziniert. Das frauengerechte Design von Handyschalen war Gegenstand ihrer Erkundungen, und ein erfolgreiches Handy für Senioren hat sie mitentwickelt. Über die machtpolitischen Seiten des Netzes, über NSA-Spähangriffe und Datensammelwut von Konzernen sprach sie in ihren Steinbrück-Beraterzeiten eher etwas ungelenk.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.