nd-aktuell.de / 27.05.2014 / Politik / Seite 3

Die erste Etappe

SPD gewinnt bei der Wahl zum Europaparlament Stimmen hinzu und hofft auf die nächste Bundestagswahl

Aert van Riel
Bei der Europawahl hat sich die SPD nach vielen Niederlagen wieder etwas erholt. Dass sie die Dominanz der Union bald brechen könnte, ist aber noch nicht absehbar.

Als sie in der Berliner SPD-Zentrale vor ihre begeisternd klatschenden Anhänger traten, strahlten Parteichef Sigmar Gabriel und Spitzenkandidat Martin Schulz, als sei ihre Partei die Siegerin dieser Europawahl. »Wir sind wieder da. Wir legen enorm zu«, jubelte Gabriel. Insgesamt 27,3 Prozent der Wählerstimmen hatten die Sozialdemokraten in der Bundesrepublik erreicht. Damit liegen sie deutlich hinter der Union. Dass sie die Konservativen schlagen könnten, hatten die Spitzengenossen aber wohl nie ernsthaft geglaubt. Im Willy-Brandt-Haus feiert man deswegen seit einiger Zeit auch kleinere Schritte.

Immerhin ist es der Partei gelungen, einen Abwärtstrend bei Europawahlen zu stoppen. Nach 21,5 Prozent im Jahr 2004 sackte die SPD im Jahr 2009 auf 20,8 Prozent ab. Wenig später folgte die Bundestagswahl, bei der die Sozialdemokraten nach vier Jahren Koalition mit der Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel nur 23 Prozent erreichten.

Eine erfreuliche Erkenntnis für die SPD-Strategen ist, dass die Partei nun für ihren Eintritt in die Große Koalition offenbar nicht abgestraft worden ist. Der Zugewinn bei der Europawahl in Prozentpunkten ist im Vergleich zur Bundestagswahl im Herbst letzten Jahres, als die SPD 25,7 Prozent erreichte, allerdings nur gering. Die Zahl der SPD-Unterstützer bei der Europawahl war sogar deutlich niedriger als bei der Bundestagswahl, was von der niedrigeren Wahlbeteiligung nur verdeckt wird.

Auf dem Weg bis zur nächsten Wahl im Bund, die im Jahr 2017 anstehen dürfte, sieht die SPD-Führung die Europawahl nur als erste Etappe, in der sich die Partei etwas erholt hat. Dass dies geglückt ist, liegt vor allem an der Inszenierung des Wahlkampfes. Für diesen war nach langer Zeit wieder der einstige Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig verantwortlich. Machnig hatte unter anderem die erfolgreichen Kampagnen zur Bundestagswahl 1998 und 2002 organisiert und einen großen Anteil an den damaligen Siegen von Gerhard Schröder.

Im Zentrum stand nun bei der Wahl zum Europaparlament Spitzenkandidat Martin Schulz. Dieser hatte wegen seiner emotionalen Wahlkampfreden, in denen er der »Jugendarbeitslosigkeit in Europa« und den »Spekulanten« den Kampf ansagte, auch die Sympathien vieler Medien auf seiner Seite. Eine Woche vor der Europawahl verkündete die »Frankfurter Rundschau«: »Martin Schulz hat die Schlacht um die Herzen der deutschen Wähler haushoch gewonnen.« Die »Süddeutsche Zeitung« lobte die »laute Leidenschaft des Kandidaten«. »Schulz hat diesen Wahlkampf dominiert. Seine Energie und Popularität werden nicht verpuffen«, schrieb das Münchner Blatt.

Dieses überschwängliche Lob war dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück vor wenigen Monaten verwehrt geblieben. Das lag nicht nur daran, dass der frühere Bundesfinanzminister kaum ein Fettnäpfchen ausließ. Entscheidend war vielmehr die fehlende Glaubwürdigkeit Steinbrücks, der sich nicht deutlich von der Agenda 2010 distanzierte und zugleich einen Wahlkampf für soziale Gerechtigkeit ausrief. Der Europapolitiker Schulz war hingegen nie in der Bundespolitik aktiv. Deshalb wurden ihm in der Öffentlichkeit soziale Versprechen eher abgenommen als Steinbrück.

In der SPD hatte sich außerdem die Erkenntnis durchgesetzt, dass man in Zeiten, in denen vor allem die Europaskeptiker Zulauf haben, mit patriotischen Parolen Wähler gewinnen kann. Funktionäre aus dem Willy-Brandt-Haus betonten immer wieder, dass es eine große Chance sei, dass mit Schulz endlich wieder ein Deutscher EU-Kommissionspräsident werden könne. Passend dazu präsentierte sich Schulz als gemäßigter EU-Kritiker, der sich »für weniger Bürokratie« aussprach. So versprach er, als Kommissionspräsident einen Brief an alle seine Beamten zu schreiben und sie aufzufordern, so viele Aufgaben wie möglich auf die nationale und lokale Ebene zu delegieren.

Das Ergebnis der Europawahl ist vor allem ein kleiner Erfolg für Machnig und Schulz. Für das Fernziel der SPD, spätestens ab 2017 wieder den Bundeskanzler zu stellen, ist der gesellschaftliche Zuspruch derzeit aber nicht groß genug. Viel wird nun davon abhängen, wie die Wähler die Politik der Großen Koalition bewerten werden, insbesondere die Maßnahmen der SPD-geführten Ressorts. Das Hauptaugenmerk dürfte hier auf den Wirkungen der Mindestlohnregelung, der Energiepolitik und des Rentenpakets liegen.