nd-aktuell.de / 10.06.2014 / Sport / Seite 4

Umstritten

Umjubelt, umstritten: Pelé alias Edson Arantes do Nascimento

Martin Ling

Unumstritten ist Pelé nur in einem Punkt: Er ist der bisher einzige Fußballer, der dreimal Weltmeister wurde, 1958, 1962 und 1970. Alles andere ist umstritten: der beste Fußballer aller Zeiten? Bei der Abstimmung zum Jahrhundertfußballer 2000 gab es zwei Sieger: Die FIFA-Experten kürten Pelé, die Online-Abstimmung der Fans ging zu Pelés Verdruss mit weitem Abstand an den Argentinier Diego Maradona. Denselben Friseur wie Gerhard Schröder? Unwahrscheinlich, aber beide haben trotz fortgeschrittenen Alters keine offensichtlichen grauen Haare - Pelé ist 73 und sieht fit aus wie ein Turnschuh, die bei Pelé Sports auch vertrieben werden.

Zum Haareraufen sind auf alle Fälle nicht wenige Aussagen von Pelé. »Das kann passieren, dass Leute auf einer WM-Baustelle sterben. Das ist normal. Das ist Nebensache. So ist das Leben«, soll Pelé erklärt haben. »Meine größten Sorgen sind die Infrastruktur und die Flughäfen. Vor kurzem kam ich nach Brasilien zurück und der Flughafen war ein Chaos.«

»Wenn Pelé schweigt, ist er ein Poet!« Diese Meinung vertritt Romário, brasilianischer Weltmeister von 1994, und steht damit gewiss nicht allein. Romário sitzt inzwischen für die Sozialistische Partei im Parlament und hat sich dort dem Kampf gegen Korruption verschrieben, kritisiert Brasiliens Fußballverband CBF genauso vehement wie FIFA-Chef Blatter und die Strolche des Weltfußballverbands und gerne auch Pelé, denn als größter Fußballer aller Zeiten sähe sich Romário selber gerne.

Zu sehr aufs Geschäftemachen aus, die vor allem zu seiner aktiven Spielerkarriere oft schief gingen, zu entrückt von seiner ärmlichen Herkunft - die Parallelen vom König Pelé zum Kaiser Franz Beckenbauer, die Ende der 70er zusammen bei Cosmos New York gegen die Kugel traten, sind frappierend, nur dass Beckenbauer in Deutschland mehr Narrenfreiheit genießt als Pelé in Brasilien.

Geachtet wird Pelé in Brasilien dennoch; geliebt aber wie der früh verstorbene Garrincha, »die Freude des Volkes«, nie. Als Pelé 1962 in der Endphase ausfiel, sicherte Garrincha den WM-Titel, der Pelés Bilanz immer noch ziert.