nd-aktuell.de / 19.08.2014 / Politik / Seite 5

Allee ade

Umweltverbände fordern mehr Schutz für Deutschlands Straßenbäume

Grit Gernhardt
So schön wie auf dem Bild sind viele Alleen in Deutschland längst nicht mehr. Naturschutzverbände schlagen Alarm, weil immer mehr Bäume der Säge zum Opfer fallen.

Sonnenschutz, Lebensraum für Tiere, touristisches Highlight - so beschreiben Umweltschützer und Naturfreunde die Vorteile von Alleen. Für Versicherungen und Straßenbauämter sind die baumbewachsenen Straßen, die besonders in Ostdeutschland kilometerweit durch Felder und Seenregionen führen, jedoch eher eine Plage. So legt sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft seit Jahren ins Zeug, um die Gefährlichkeit von Bäumen für den Straßenverkehr zu beweisen - mit Erfolg. 2009 änderte das Bundesverkehrsministerium die Richtlinie für passiven Schutz an Straßen dahingehend, dass Bäume nun mit mindestens 7,5 Metern Abstand zum Fahrbahnrand gepflanzt werden müssen - zuvor reichten 4,5 Meter.

Eine Neuregelung mit fatalen Folgen, wie der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) beklagen. Seitdem hätten die Meldungen von Anwohnern und Naturschützern über abgeholzte Straßenbäume und das Verschwinden ganzer Alleen sprunghaft zugenommen, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen am Montag in Berlin. Die Richtlinie werde aus Unwissenheit auch auf Straßen angewendet, für die eigentlich der kleinere Abstand weiter gelte, so Röscheisen. Vorgeschriebene Ersatzpflanzungen scheiterten oft am Geld oder daran, dass Eigentümer der Flächen neben den Straßen sich weigerten, das benötigte Land abzutreten. »Die Richtlinie muss so gemacht werden, dass sie nicht falsch angewendet werden kann«, fasste Röscheisen die Forderung von DNR und SDW an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zusammen.

Zudem müsse der Alleenschutz mit einbezogen werden, wenn Straßen ausgebaut oder saniert würden, ergänzte Christoph Rullmann, Bundesgeschäftsführer des SDW. Es sei möglich, eine Fahrspur oder den Radweg hinter die Baumreihen zu verlegen oder eine komplett andere Streckenführung zu wählen. Stationäre Blitzer verhinderten Unfälle wesentlich effektiver als das Fällen teilweise jahrhundertealter Bäume, so Röscheisen. Sicherer würden die Straßen auch, wenn gefährliche Kurven entschärft, der Straßenbelag verbessert und mehr Leitplanken gebaut würden.

Dazu sei aber mehr Geld notwendig. Die beiden Naturschutzorganisationen fordern deshalb auch, dass ein höherer Anteil der Straßenbaumittel als bisher in den Erhalt und die Neupflanzung von Straßenbäumen gesteckt wird.

Derzeit scheiterten viele Projekte bereits daran, dass keine einheitliche Bestandsaufnahme existiere, so Rullmann. Positiv hob er Nordrhein-Westfalen hervor, das Alleen ins Biotopschutzregister aufgenommen habe. Es sei nur möglich, die Baumstraßen zu erhalten, wenn das Bewusstsein für diesen »bedrohten Schatz« geschaffen werde. In Polen und Tschechien, wo es weniger Baumschutzkampagnen gebe, ist die Situation der Straßenbäume demnach noch dramatischer.