nd-aktuell.de / 11.10.2014 / Kommentare / Seite 2

Deutscher Mezzogiorno

Velten Schäfer über die andauernde Ost-West-Lohnlücke

Vor einem Vierteljahrhundert fantasierten die einen von »blühenden Landschaften«. Andere warnten, der Osten werde zum deutschen Mezzogiorno. tatsächlich liegt der Unterschied zwischen dem mittleren Stundenlohn gerade bei jenen rund 25 Prozent, die in Italien den Norden vom armen Süden trennen. Und wie dort ist Linderung kaum in Sicht.

Das ist allerdings kein Naturgesetz, wie nun der Arbeitgeberpräsident behauptet. Es gibt Branchen, in denen die tariflichen Unterschiede sich längst minimiert haben, ohne dass es zu massenhaftem Stellenabbau gekommen wäre. Dass die Angleichung im Schnitt nicht vorankommt, liegt daran, dass die Tarife im Osten oft ignoriert werden - und hier nach dem Prinzip der verlängerten Werkbank die schlechter bezahlten Jobs angesiedelt sind. Je schneller im Osten die Durchschnittslöhne stiegen, desto langsamer werde die Wirtschaft wachsen, schrieb 1992 der neoliberale Guru Hans-Werner Sinn. Wäre das richtig gewesen, müsste der Laden jetzt brummen.

Am gravierendsten sind die Unterschiede gerade dort, wo es auf lokalen Konsum ankommt. Wer schlecht verdient, kann wenig kaufen - und liegt als Aufstocker oft noch den Gemeinden auf der Tasche, die deshalb wiederum nicht investieren. Wird dieser Kreislauf nicht irgendwann durchbrochen, bleibt der Osten auf Dauer das deutsche Armenhaus.