nd-aktuell.de / 30.10.2014 / Politik / Seite 20

Feuerball über der USA-Ostküste

Transportrakete explodiert bei Start zur Internationalen Raumstation ISS

Rückschlag für die USA-Raumfahrt: Der Frachter »Cygnus« wird beim Start zerstört. Er sollte Nachschub zur Raumstation ISS transportieren, darunter auch Lebensmittel für die Astronauten.

Washington. Eine Rakete mit 2,3 Tonnen Nachschub für die Internationale Raumstation ISS ist wenige Sekunden nach dem Start in den USA explodiert. Der Raumfahrtbehörde NASA zufolge gab es beim Unfall der »Cygnus« keine Opfer. Der Schaden für die USA-Raumfahrt gilt aber als enorm.

Erfolg dagegen für Moskau: Nur wenige Stunden nach dem Unglück hob vom Kosmodrom in Baikonur (Kasachstan) am Mittwoch planmäßig ein russischer Versorgungstransporter für die ISS ab. Derzeit arbeiten drei Russen, zwei US-Amerikaner und der Deutsche Alexander Gerst in der ISS in rund 400 Kilometer Höhe.

Die private US-Antares-Rakete mit dem Frachter »Cygnus« war Dienstagabend pünktlich 18.22 Ortszeit (23.22 MEZ) vom Weltraumbahnhof Wallops (Virginia) an der US-Ostküste gestartet. Sekunden später stürzte sie in einem riesigen Feuerball zur Erde. Flammen umhüllten die Startplattform, brennende Trümmer flogen in alle Richtungen. Die Ursache der Explosion war zunächst unklar. Offensichtlich seien Treibstofftanks detoniert. »Es ist noch viel zu früh, um genau zu wissen, was passiert ist«, sagte der frühere NASA-Astronaut Frank Culbertson, Vizepräsident der US-Privatfirma Orbital Sciences.

Die von Orbital Sciences entwickelte »Cygnus« (Schwan) sollte rund 2300 Kilogramm Lebensmittel und Forschungsmaterial zur ISS bringen. Seit 2013 gab es drei erfolgreiche Flüge. Nach NASA-Angaben waren keine dringend notwendigen Güter an Bord. »Die Mannschaft ist in keiner Gefahr«, sagte William Gerstenmaier, Chef für bemannte Raumfahrt.

Russland, USA-Partner beim ISS-Programm, bot Hilfe an. Die Raumfahrtbehörde Roskosmos könnte einen zusätzlichen Versorgungsflug übernehmen, sagte Alexej Krasnow von Roskosmos. Für den russischen Nachschub habe der Unfall keine negativen Folgen. Moskau bringe die Güter meist im Progresstransporter zur ISS, so Krasnow. Die am Mittwochmorgen gestartete Sojus-Trägerrakete mit 2,5 Tonnen Nahrungsmitteln, Forschungsgeräten, Treibstoff und Post an Bord dockte 14.08 Uhr MEZ an der ISS an. Im Dezember ist ein Flug des privaten US-Transporters »Dragon« zur ISS geplant.

Culbertson zufolge war bei dem Unglück nach einer ersten Explosion der Befehl zur völligen Zerstörung des Fluggeräts gegeben worden. Damit soll verhindert werden, dass Raketenteile auf bewohntes Gebiet einschlagen. Die Rakete und der Transporter, die zusammen umgerechnet mehr als 157 Millionen Euro kosteten, seien verloren, sagte Culbertson.

Der russische Raumfahrtexperte Igor Marinin sagte, möglicherweise hätten technische Änderungen am Triebwerk den Unfall verursacht. Für die Antares-Rakete hätten die USA das ursprünglich sowjetische Triebwerk NK-33 modifiziert. Die Änderungen hätten die Rakete wohl instabil gemacht. »Wir sind sehr enttäuscht«, so Gerstenmaier. Das Unglück zeige, dass Raumfahrt ein harter Job ist, der nicht ohne Gefahren sei. Culbertson sagte: »Wir werden herausfinden, was schiefgegangen ist, wir werden es beheben und werden wieder fliegen.«

»Cygnus« ist wie Progress ein Frachter, der nach einem Flug nicht wiederverwendet wird. Das Raumfahrzeug, das auf dem Rückweg von der ISS Müll befördert, verglüht beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.

Die NASA hatte 2011 ihr Shuttle-Programm nach 30 Jahren beendet. Seitdem sind US-Astronauten auf Mitfahrgelegenheiten Russlands angewiesen. Zur Versorgung der Astronauten und zur Lieferung wissenschaftlicher Ausrüstung setzten die USA seitdem auf private Unternehmen. Im Rahmen des zwei Milliarden Dollar schweren Vertrags sollte es bis 2016 mindestens sieben weitere »Cygnus«-Missionen geben. dpa/nd