nd-aktuell.de / 03.06.2015 / Kommentare / Seite 4

Stachel papae

PERSONALIE

Ingolf Bossenz

Der Vorgang verweist auf die unheilige Dreifaltigkeit von Macht, Mammon, Missbrauch und damit auf den Stoff, aus dem Skandale und Intrigen geformt werden.

Der australische Kardinal George Pell soll in seiner Heimat vor über 20 Jahren versucht haben, unter anderem durch Bestechung Fälle von Kindesmissbrauch durch einen katholischen Priester zu vertuschen. Die Vorwürfe wurden bereits im Jahr 2008 erhoben, woraufhin Pell - damals Erzbischof von Sydney - selbst eine Kommission zu deren Überprüfung einsetzte.

Dass Pell gerade jetzt von dieser unseligen Angelegenheit wieder eingeholt wird, passt in die aktuellen Kabalen, die Papst Franziskus mit seinem undurchsichtigen Laisser-faire-Kurs innerhalb der römischen Kirche nach Kräften befördert. Denn der strikt konservative Kuriale, der aus seinen wenig reformfreundlichen Ansichten kein Hehl macht, ist inzwischen einer der mächtigsten Männer hinter den Leoninischen Mauern. Franziskus hatte gerade erst sein Amt angetreten, als er im April 2013 den Australier in einen achtköpfigen Kardinalsrat berief, der den Papst in Sachen Kurienreform beraten soll.

Doch damit nicht genug: Ein knappes Jahr später ernannte der Pontifex den 1941 geborenen Prälaten zum Präfekten des neu geschaffenen Wirtschaftssekretariats und damit de facto zum Finanz- und Wirtschaftsminister des Heiligen Stuhls. Eine Machtfülle, die bei anderen Wirtschaftseinrichtungen des Kirchenstaates Entscheidungsbefugnisse und Kompetenzen schmälerte.

Pell konnte zwar in ökonomischen Angelegenheiten durchaus Erfolge verzeichnen. Der Traditionalist schuf sich aber - so auf der Familiensynode - bei Reformern, tatsächlichen und solchen aus Opportunismus, weitere Gegner. Ein Mitglied der Kinderschutzkommission des Vatikans nannte den beim Konklave 2013 als aussichtsreich gehandelten Pell »Stachel im Fleisch des Pontifikats von Papst Franziskus« und forderte seinen Rücktritt. Während der Vatikan die Vorwürfe halbherzig zurückwies, will Pell gegen diese nun mithilfe seiner Anwälte vorgehen.