nd-aktuell.de / 25.06.2015 / Kultur / Seite 17

Fantasie der Notzeit

Spielzeugmuseum

Thomas Tjiang

Zwischen Trümmern und Hungerwinter hatten Kinder vor rund 70 Jahren bisweilen auch einen arglosen Umgang mit der Realität des Krieges. Die Ausstellung »Notspielzeug. Die Fantasie der Nachkriegszeit« im Nürnberger Spielzeugmuseum widmet sich einem weitgehend unerforschten Aspekt des Alltags im Nachkriegs-Deutschland. Damals wurden Gasmasken zu einem Roulette für Kinder umfunktioniert, auf deutschen Flüssen paddelten Jungen und Mädchen in abgeworfenen Tanks von Militärflugzeugen. »Kinder bewerten nicht, sie spielen bezaubernd anarchisch«, sagt die Leiterin des Spielzeugmuseums, Karin Falkenberg.

Die Geschichte des Notspielzeugs in Deutschland beginnt noch während des Krieges. Im März 1943 wird die industrielle Herstellung von Spielzeug aller Art verboten. Die meisten Spielzeugfabriken wurden Rüstungsbetriebe. Dafür wurde angeordnet, dass beispielsweise Hitlerjungen Holzspielzeug für das Winterhilfswerk schnitzen mussten.

Notspielzeug ist individuell hergestelltes Spielzeug, für das oft verfügbares Material wie Militärartikel und Kriegsschrott oder andere Alltagsgegenstände genutzt wurden. Das konnten leere Konservendosen, Streichholzschachteln, Stoffreste oder ausgediente Rollmopsspieße sein. Die Ausstellung zeigt rund 50 Exponate, die durch alte Fotos und Erinnerungen ergänzt werden. Darunter beispielsweise die Teddy-Dame »Brummhilde« aus dem Stoff einer geklauten Uniformhose eines US-amerikanischen GIs.

Die Exponate zeigen den Alltag des Spielens mit Gegenständen, die zwischen 1943 und dem Ende der 1950er Jahre entstanden, so Falkenberg. Zwar waren nach der Währungsreform 1948 die Geschäfte wieder voll, die Nürnberger Spielwarenmesse präsentierte ab 1950 wieder neues Spielzeug. Doch wurde häufig noch am Spielzeug gespart und lieber selber gebastelt.

Museumsleiterin Falkenberg hat mit der ersten »Bürgerausstellung« im Spielzeugmuseum Neuland betreten. Bis auf wenige Ausstellungsstücke stellte die Generation der Kriegskinder aus Nürnberg und ganz Bayern die Exponate zur Verfügung. »Manche hatten ihr Notspielzeug seit gut 70 Jahren wie Schätze gehütet«, erzählt Falkenberg. epd/nd