nd-aktuell.de / 03.07.2015 / Politik / Seite 4

Krisengewinnler

PERSONALIE

Simon Poelchau

Jean-Claude Juncker geriert sich gerne als Retter Europas. Gleich nach seiner Wahl zum EU-Kommissionschef warb er für ein gigantisches 315-Milliarden-Euro-Investitionspaket, von dem keiner weiß, woher das Geld eigentlich stammen soll. Am Wochenende stellte er sich als gerechter Vermittler dar, war beleidigt, dass sein angeblich ausgeglichener Kompromissvorschlag von Athen zurückgewiesen wurde. Lag es wohl an den Kürzungen bei den Renten und der Erhöhung der Mehrwertsteuer, die dort niedergeschrieben waren?

Die Griechenland-Krise gibt Juncker Gelegenheit, sich nicht mit einem etwas dunkleren Teil seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, der nicht ganz so europäisch war. Es geht um die Zeit, in der der konservative Politiker 20 Jahre Finanzminister und weitere acht Jahre Premierminister von Luxemburg war. Denn eigentlich sollte Juncker am Donnerstag vor dem Steuersonderausschuss TAXE des Europaparlamentes aussagen.

Jener Ausschuss, der seit März tagt, beschäftigt sich mit der Lux-Leaks-Affäre, in deren Zentrum der Kommissionschef steht. Im November 2014 deckte ein internationales Journalistenteam sie auf. Demnach half das Großherzogtum über zwielichtige Besteuerungsabkommen mehr als 340 internationalen Konzernen, Abgaben in Milliardenhöhe zu vermeiden. Junckers eigene Behörde, die EU-Kommission, ermittelt deshalb bereits gegen Luxemburg. Die Steuerbegünstigungen könnten als illegale staatliche Beihilfen bewertet werden.

Der ehemalige Vorsitzende der Euro-Gruppe wird also vermutlich froh sein, dass ihn das Referendum in Griechenland über den Gläubigervorschlag vor einem lästigen Termin bewahrt hat. Er ist quasi ein Krisengewinnler, auch wenn er nur etwas Zeit gewonnen hat. Denn die Anhörung wurde verschoben und nicht aufgehoben. Wirklich spannende Details hätte man von Juncker wahrscheinlich eh nicht erfahren. Denn er betonte mehrfach, lediglich in seiner Funktion als EU-Kommissionschef, nicht aber als einstiger Luxemburger Finanz- oder Premierminister auszusagen.