nd-aktuell.de / 22.09.2015 / Politik / Seite 14

1000 Mahnwachen in Glinde

Initiative setzt Protest gegen Tønsberg-Laden fort

Dieter Hanisch, Glinde

Bereits seit vier Jahren existiert im schleswig-holsteinischen Glinde nahe Hamburg ein Tønsberg-Laden, in dem das bei Neonazis beliebte Textilsortiment der Marke Thor Steinar angeboten wird. Genauso lange laufen vor Ort Proteste gegen den »Schandfleck«, wie ein Demonstrant am vergangenen Wochenende die Verkaufsstätte bezeichnete.

Vis-à-vis zum Geschäft gibt es seit langem nahezu täglich Mahnwachen der Bürgerinitiative »Glinde gegen rechts« – inzwischen waren es mehr als 1000. Am Wochenende folgten 120 Menschen einem Aufruf demokratischer Glinder Parteien und zogen gegen den Laden der im brandenburgischen Mittenwalde ansässigen Mediatex GmbH auf die Straße.

Anfangs hatten die Glinder Vermieter noch gegen das Unternehmen prozessiert, sie fühlten sich bei Unterzeichnung des noch bis 2016 laufenden Mietvertrages arglistig getäuscht und überrumpelt. Das Landgericht Lübeck wies die Räumungsklage allerdings 2012 ab. Den Schritt in die nächste juristische Instanz sind gingen die Vermieter dann nicht mehr, was Hans-Jürgen Preuß von der Bürgerinitiative »Glinde gegen rechts« nicht gutheißt.

Tønsberg ist der Name einer Stadt in Norwegen, in der nach Besetzung Norwegens durch die deutsche Wehrmacht ein Konzentrationslager namens Berg eröffnet wurde. Preuß spricht mit Blick auf den Laden in Glinde deshalb von einem riesigen Skandal.

Übrigens auch in Chemnitz, Schwerin und Berlin tragen Mediatex-Verkaufsstätten den Namen Tønsberg. Die Chemnitzer Anti-Laden-Initiative »Bündnis Bunter Brühl« hat mittlerweile eine Informationsausstellung gestaltet, die den Bogen von den schrecklichen Nazi-Aktivitäten in Norwegen bis hin zur Namensgebung für die Thor-Steinar-Läden schlägt. Beobachtungen zufolge dürfte der Tønsberg-Laden in Glinde wegen des vergleichsweise geringen Käuferzuspruchs eher defizitär wirtschaften. Da der Verkaufsstandort dennoch beibehalten wird – online wird er von Mediatex unter der Ortsbezeichnung »Hamburg« aufgeführt – scheinen andere Beweggründe als der Gewinn eine Rolle zu spielen.

Internetbestellungen machen zwar das Gros der Einkäufe bei Mediatex aus. Ein Blick auf die Homepage des rechten Modelabels zeigt jedoch auch eine massive Ausweitung der Ladenpräsenz in diversen europäischen Ländern mit Schwerpunkt Osteuropa. Auch die feindliche Stimmung zwischen der Ukraine und Russland stört da nicht – Thor-Steinar-Ware wird sowohl in Kiew und als auch in mehreren russischen Großstädten offeriert.

Das antifaschistische und antirassistische Engagement in Glinde lässt unterdessen nicht nach. Über das Tønsberg-Thema wurde vielmehr die Aufarbeitung der Nazi-Zeit in Glinde und der Region vorangetrieben. Dabei ging es etwa um Zwangsarbeitereinsätze während des Zweiten Weltkrieges, zugleich aber auch um die aktuellen Gefahren durch Neonazis. Antirassistische Fußballturniere, Rock gegen Rechts, aufklärende Vorträge, Ausstellungen und Lesungen bleiben laut Preuß fester Bestandteil der Arbeit der Glinder Antifaschisten. Und natürlich die kontinuierlichen Mahnwachen vor dem Tønsberg-Laden.