Parteitag will Wagenknecht nicht hören

Die Linke in Nordrhein-Westfalen stellt sich für die Landtagswahl neu au

Eine Delegierte beim Parteitag der nordrhein-westfälischen Linken.
Eine Delegierte beim Parteitag der nordrhein-westfälischen Linken.

Debatten über die Tagesordnung sind eigentlich nicht dazu geeignet, für Aufregung zu sorgen. Anders beim Parteitag der nordrhein-westfälischen Linken am Wochenende. Dieser hatte gerade erst begonnen, als ein Delegierter forderte, einen Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht von der Tagesordnung zu streichen. Wagenknecht sollte zur Aufarbeitung der Bundestagswahl sprechen. Egbert Steinhoff, der die Absetzung von Wagenknechts Rede forderte, begründete das damit, dass die Bundestagsabgeordnete keine besondere Rolle in NRW spiele, sich nicht in die Parteiarbeit einbringe. Eine herausgehobene Rolle für sie sei bei der Auswertung deshalb nicht angebracht. Es sei besser, wenn die Delegierten, die im Wahlkampf hart gearbeitet hätten, mehr Zeit bekommen, miteinander über den Wahlkampf zu sprechen. Ein anderer Delegierter pflichtete Steinhoff bei und ergänzte, dass er es für problematisch halte, jemanden bei einem linken Parteitag sprechen zu lassen, der »seit Monaten Fakenews« zu Corona verbreite. Christian Leye, der sich kurz zuvor als Landessprecher verabschiedet hatte, versuchte zwar noch für die Rede seiner ehemaligen Chefin zu plädieren, konnte die Delegierten aber nicht überzeugen. 103 wollten Wagenknecht nicht sprechen lassen, 83 votierten für eine Rede der Spitzenkandidatin der nordrhein-westfälischen Linken bei der Bundestagswahl.

Auf die Frage, warum sich die Delegierten gegen eine Rede Wagenknechts ausgesprochen haben, ob es am Misserfolg bei der Bundestagswahl oder ihren impfskeptischen Äußerungen lag, antwortete Landessprecherin Nina Eumann ausweichend. Die Delegierten hätten »kein Interesse daran, Personaldebatten zu führen«. Die Absetzung von Wagenknechts Rede sei auch »kein Affront gegen unsere Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf«. Man wolle »am liebsten geeint und geschlossen« in den Landtagswahlkampf gehen, ohne personalisierte Debatten. Gegenüber dem »nd« erklärten Delegierte – darunter auch solche, die Wagenknecht lange nahestanden –, dass deren Äußerungen zu Corona und die von ihr gesäte Impfskepsis zu einem dauerhaften Vertrauensverlust geführt hätten.

Neben Eumann muss nun Jules El-Khatib für Einigung und Geschlossenheit in der NRW-Linken sorgen. Am Samstagmorgen wurde er von 76 Prozent der Delegierten zum Landessprecher gewählt. Der 30-jährige Essener war in den letzten Jahren schon stellvertretender Landessprecher. Er bemühte sich oft als Mittler zwischen den verschiedenen Flügeln in der Partei. Als Landessprecher will El-Khatib für mehr Diskussionen in der Partei sorgen. Der gemeinsame Austausch sei wichtig, erklärte er. Auch das innerparteiliche Leben will er verbessern, mit einer gemeinsamen Shisha nach einem Straßenprotest oder dem Ausklang eines Parteitags in der Kneipe. Inhaltlich steht El-Khatib für einen breiten Begriff von Klassenpolitik, legt Wert darauf, auch Minderheiten mitzudenken.

Aussagen mit denen El-Khatib durchaus einen Nerv trifft. Von Delegierten bei den Debatten zur Aufarbeitung der Bundestagswahl und zur Planung der Landtagswahl war immer wieder zu hören, dass die Linke sich weiter als soziale Partei profilieren soll. Dabei sei es wichtig, mehrfache Benachteiligungen im Blick zu behalten. Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung oder Herkunft gingen regelmäßig mit ökonomischen Benachteiligungen einher.

Wie sehr der Parteiflügel um Sahra Wagenknecht und Sevim Dağdelen geschwächt wurde, zeigte sich während des Parteitags auch bei der Wahl des stellvertretenden Landessprechers. Amid Rabieh aus Bochum wurde nur von 53 Prozent der Delegierten gewählt. In einem Redebeitrag bei der Aussprache zur Bundestagswahl hatte Rabieh das gute Abschneiden der Linken 2009 und 2017 betont, als erst Oskar Lafontaine und Gregor Gysi und später Sahra Wagenknecht an der Spitze des Wahlkampfs standen. Beide Male habe die Linke die Sozialpolitik zentral im Wahlkampf thematisiert.

Bei den Landtagswahlen im kommenden Mai will die Linke »für ein anderes Bildungssystem, welches Chancen für alle Kinder schafft, streiten«, erklärte Jules El-Khatib gegenüber dem »nd«. »Das Programm macht darüber hinaus deutlich, dass, wer konsequenten Klimaschutz, eine Gesellschaft ohne Armut und Diskriminierung will, in der Linken eine starke Verbündete dafür hat«, so der neue Landessprecher. Einfach wird der Einzug in den Landtag nicht. Auch in Nordrhein-Westfalen verlor die Partei kontinuierlich an Zustimmung. 2017 war sie mit 4,9 Prozent noch sehr knapp an einem Einzug in den Landtag gescheitert. Seitdem schrumpfen die Werte. Bei der Bundestagswahl entfielen nur 3,7 Prozent der Stimmen aus Nordrhein-Westfalen auf die Linke. Bei einer Umfrage im Oktober sank der Wert auf 3 Prozent. Erschwerend dürfte hinzukommen, dass SPD und Grüne in NRW in der Opposition sind und dezidiert soziale und ökologische Wahlkämpfe vorbereiten.

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