Sahra ist Spitze

Sahra Wagenknecht bei der Listenaufstellung der Linken Nordrhein-Westfalen trotz deutlicher Kritik zur Spitzenkandidatin gewählt

Einen Fingerzeig dafür, dass sich Sahra Wagenknecht bei der Listenaufstellung der Linken Nordrhein-Westfalen durchsetzen würde, gab es schon zu Beginn der Essener Versammlung. Eine Delegierte hätte gerne eine Grundsatzdebatte über die »angespannte Situation« im Landesverband in die Tagesordnung eingeschoben. Im Klartext, eine Diskussion über die Thesen aus dem neuen Buch von Sahra Wagenknecht, dass am kommenden Mittwoch erscheint. Viele Linke fühlen sich durch Wagenknechts Aussagen über »Identitätspolitik«, die sich für »skurrile Minderheiten« engagiere und irgendwelchen »Marotten« anhänge vor den Kopf gestoßen.

Auch Wagenknechts Kritik an Bündnispartnern der Linken wie Fridays for Future, Seebrücke und Unteilbar kam nicht gut an. Für eine Mehrheit unter den NRW-Delegierten reichte dieses Unbehagen allerdings nicht aus. 63 Prozent der Delegierten wollten nicht über das Buch und Konsequenzen, die sich daraus ableiten lassen, sprechen.

Bei der Wahl um die Spitzenkandidatur sah es dann ähnlich aus. Wagenknecht hatte zwei Gegenkandidatinnen, die Kölnerin Angela Bankert, die von der Antikapitalistischen Linken unterstützt wird und Hannah Haerhus, die queere, junge Münsteranerin wurde über die Klimabewegung politisiert. Ihre Vorstellungsrede nutzte sie für eine deutliche Anklage von Wagenknechts Buch. Antirassismus müsse zur »DNA« der Linken gehören. Wagenknechts Äußerungen seien »schockierend« und »respektlos« gegenüber Minderheiten. Auch Bankert äußerte sich ähnlich, von Wagenknecht kritisierte Bewegungen wie Seebrücke, Unteilbar und Fridays for Future seien wichtige Bündnispartner. Die Linke müsse als ihr parlamentarischer Arm agieren.

Wagenknecht setzte andere Akzente. Die Corona-Pandemie zeige, dass die Bundesregierung nur eine Politik für Reiche mache. Das könne so nicht weitergehen. Die Linke profitiere nicht davon, dass sich viele Menschen mehr soziale Gerechtigkeit wünschten, das wolle sie ändern und ein Angebot für »die kleinen Leute« mit »Bullshitjobs« machen. Das sei auch das Thema ihres Buches. Die Angriffe auf sie findet Wagenknecht unberechtigt. Sie beruhten auf verfälschten Zitaten. Sie als Rassistin zu bezeichnen sei »krank«, wegen Drohungen von Rechten habe sie Polizeischutz und als Tochter eines Iraners habe sie in ihrer Kindheit Rassismus erfahren.

Wagenknechts Ausführungen fanden die Zustimmung von 61 Prozent der Delegierten. Kein beeindruckendes Ergebnis, trotzdem zeigte sich Wagenknecht nach der Wahl gegenüber dem »nd« zuversichtlich. »Ich freue mich über das Ergebnis und ich freue mich auf den Wahlkampf.« Wenn die Liste komplettiert ist, sollten »sich wirklich alle im Landesverband hinter der Liste versammeln.« Man solle gemeinsam für die Ziele streiten, für die, »die Linke steht.« Das ein Teil der NRW-Linken deutlich gemacht habe, dass er gegen ihre Kandidatur ist, findet Wagenknecht »okay«.

Wahlen und Kandidaturen seien dafür da Zustimmung und Ablehnung auszudrücken. Aber wenn sie stattgefunden haben, sollten »alle das Ergebnis akzeptieren«. Sie hoffe, dass nun »sachlich und konstruktiv« darüber diskutiert werde, wie die Partei möglichst viele Menschen erreichen könne.

Nach der Wahl Wagenknechts wurde der Rentenpolitiker Matthias W. Birkwald auf den zweiten Listenplatz gewählt. 84 Prozent der Delegierten stimmten für den Kölner. Er zeigte sich erfreut über das »besonders gute Ergebnis«. Auf seinen Gegenkandidaten Mehmet Sencan fielen, erwartungsgemäß, nur wenige Stimmen. Für den Nachmittag werden noch einige engere Abstimmungen erwartet. Bisher schickt die NRW-Linke 12 Abgeordnete in den Bundestag.

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