• Berlin
  • 3G-Kontrollen auf Bahnsteigen

Vertreibung Obdachloser befürchtet

3G-Regelung auf Bahnsteigen kann zum Problem für Menschen werden, die sich dort tagsüber aufhalten

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Es schneit in dichten Flocken. Worüber sich die einen freuen, bedeutet für andere eine zusätzliche Erschwernis. Nicht wenige Menschen ohne Obdach halten sich tagsüber in U-Bahnhöfen auf, um sich vor der Kälte zu schützen. Seit einer Woche gilt allerdings bundesweit die Regel, auf Bahnsteigen einen Nachweis parat zu haben, ob man gegen Covid-19 geimpft, davon genesen oder zumindest tagesaktuell negativ getestet ist («3G»).

Organisationen wie die Berliner Obdachlosenhilfe befürchten, dass die ohnehin schon marginalisierte Gruppe von Menschen ohne Zuhause im Falle von Kontrollen nun noch stärkerer Diskriminierung ausgesetzt sein wird. Es gebe eine ganze Historie gewaltvoller Übergriffe von privatem Sicherheitspersonal heißt es in einem Offenen Brief, der sich auch an die Berliner Regierung richtet. «Die Berichte reichen von Herablassung über Diskriminierung auf der Basis der sozialen Schicht, des Alters, der Herkunft, der Religion, des Geschlechts, der Sexualität, bis hin zu körperlicher Gewalt. Durch den ›3G‹-Kontrolldruck befürchten wir eine Verschärfung der Gesamtsituation, die besonders für Menschen ohne Obdach oder gültige Ausweisdokumente eine existenzbedrohende Gefahr darstellt», heißt es weiter. Eine dazugehörige Petition haben am Donnerstag bereits 37.000 Menschen unterschrieben.

«Wir sind verpflichtet, die Einhaltung der vom Gesetzgeber festgelegten ›3G‹-Regeln in unseren Fahrzeugen und nun auch auf den Bahnsteigen zu kontrollieren», erklären dazu die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Ausnahmen für Menschen ohne Obdach seien in den Gesetzen nicht vorgesehen. «Selbstverständlich sind wir im Umgang mit unseren besonders schutzbedürftigen Mitmenschen auch und gerade in der jetzigen Situation äußerst behutsam, verweisen auf Anlaufstellen, rufen gegebenenfalls Hilfe und schicken niemanden allein in die Kälte. Die Frage nach Impf- oder Testmöglichkeiten für obdachlose Menschen könne man als Nahverkehrsunternehmen allerdings nicht beantworten.

»Auf Bahnsteigen halten sich viele Obdachlose auf, denen es besonders schlecht geht und die den Kontakt zur Außenwelt abgebrochen haben«, heißt es bei der Berliner Stadtmission gegenüber »nd«. Diese könnten während der Wintersaison tagsüber kaum andere geschützte Aufenthaltsorte nutzen oder erreichen. Dass es öffentliche Testmöglichkeiten gibt, begrüße man. Andererseits hätten manche Menschen »aufgrund traumatisierender Erfahrungen Schwierigkeiten, die üblichen Abstriche vornehmen zu lassen«. Es sollten daher verstärkt Spucktests ermöglicht werden. In den Notübernachtungen der Stadtmission würden alle Gäste zwei Mal pro Woche getestet.

Die Stadtmission verweist darauf, dass ihre mobilen Einzelfallhelfer*innen jederzeit gerufen werden können, wenn jemand ohne Nachweis angetroffen werde. Sie würden Menschen ohne Obdach zu Impfterminen, zum Testen oder bei der Suche nach einem besseren Aufenthaltsort begleiten. »Optimal wäre es auch, wenn überall in den Bahnhöfen Hinweise auf die Berliner Kältehilfe in verschiedenen Sprachen ausgehängt oder weitergegeben werden könnten.« Niemand solle in die Gefahr geraten, dem Kältetod ausgeliefert zu werden. Es brauche daher dringend mehr zentrale Orte, an denen sich Menschen ohne Obdach tagsüber sicher aufhalten könnten.

In den Berliner Impfzentren kann man sich auch ohne Krankenversicherung kostenlos impfen lassen. Impfangebote für Menschen ohne Wohnung gibt es auch in einzelnen Unterkünften, unter anderem wöchentlich in der Lehrter Straße. Dort können auch Antigen-Tests durchgeführt werden, wenn Impfbescheinigungen verloren gegangen sind.

»Wir wissen, wie problematisch diese Situation für obdachlose Menschen ist«, erklärt die Senatsverwaltung für Soziales am Mittwoch dazu. »Daher unternehmen wir alles, um Obdachlosen Tests und Impfungen zu ermöglichen.« Das Testangebot speziell für obdachlose Menschen habe man derzeit erheblich ausgeweitet.

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