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Gewalt gegen Kurden: Geflüchtete über Angriff in Tegel-Unterkunft
Drei kurdische Bewohner des Ankunftszentrums Tegel in Berlin erzählen von islamistisch motivierten Angriffen
Seit der Nacht zum 27. November fühlen sich Cem, Aysegül und Zana nicht mehr sicher. Die drei stammen aus der Türkei und haben das Land verlassen, weil sie dort als Kurd*innen nicht frei leben können. Doch in Deutschland, wo sie Schutz suchen, setzt die Gewalt sich fort. Im Ankunftszentrum Tegel sind sie Angriffen von islamistischen Bewohnern und Security-Mitarbeitern ausgesetzt.
Cem ist 33 Jahre alt und wohnt seit zweieinhalb Monaten in der Containerstadt auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens. Am Montagabend sitzt er gemeinsam mit der 27-jährigen Aysegül und dem 36-jährigen Zana im Café Karanfil in Neukölln. Alle drei erzählen auf Kurdisch von ihren Erlebnissen im Camp, der Cafébetreiber und kurdische Aktivist Turgay Ulu übersetzt. Aus Angst vor Konsequenzen wollen sie nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen. Denn ein gemeinsamer Freund, ebenfalls Kurde, wurde bereits aus der Unterbringung geschmissen – basierend auf falschen Vorwürfen durch die Sicherheitskräfte, behauptet Cem.
Am 27. November gegen halb zwei in der Nach liegt Cem mit rund 320 weiteren kurdischen Geflüchteten im Schlafzelt. »Dann sind junge, arabischsprachige Männer gekommen, waren laut und haben uns aufgeweckt.« Als ein Bewohner sie auffordert, leise zu sein, schlägt einer der Störer zu. »Plötzlich waren es 50 Leute, auch Security kam und hat uns geschlagen.« Zu sechst versuchen sie, die Angreifer herauszudrängen, erzählt Cem.
Auch Zana ist dabei. Ein Angreifer habe ihn am Arm gepackt und »ungläubiger Kurde« gerufen. Zana und Cem erzählen von weiteren islamistischen und kurdenfeindlichen Parolen. »Was der IS nicht geschafft hat, machen wir«, habe einer der Männer gesagt, und »Allahu Akbar«. Ein anderer Angreifer habe an die Wand geschlagen, hinter der die Frauen und Kinder schliefen und geschrien: »Wir schneiden allen Kurden die Köpfe ab.« Eine schwangere Kurdin habe durch diesen Schock ihr Kind verloren, erzählt Aysegül.
Mehrmals versuchen Zana, Cem und andere kurdische Männer, die Frauen und Kinder aus dem Zelt zu lotsen, doch sie werden immer wieder attackiert. Um vier Uhr nachts rufen sie die Polizei. Sie ermittelt mittlerweile wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Die kurdischen Bewohner*innen, vom zuständigen Landesamt für Flüchtlinge als »Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit« bezeichnet, müssen am Montagmorgen in ein anderes Zelt umziehen.
Aysegül zeigt Videos und Fotos von der neuen Unterkunft. Große Wasserlachen bedecken den Boden, das Zelt ist eigentlich noch eine Baustelle. »Es liegt Baumüll herum, wir wollten es selbst sauber machen, aber man gab uns kein Putzmaterial«, ergänzt Cem. Sowieso sieht er keinen Vorteil in dem Umzug: »Es gibt faktisch 200 Meter Abstand zu dem früheren Zelt, es ist derselbe Ort, wir nehmen denselben Bus.«
Dass die Gefahr nicht gebannt ist, zeigt sich am Dienstagabend, 28. November. Leute vom Sicherheitsdienst, die laut Cem arabisch sprechen, lassen eine Gruppe syrischer und irakischer junger Männer zum neuen kurdischen Zelt gehen. »Sie wollten unser Zelt anzünden«, vermutet Cem. Nur weil er und ein paar andere Bewohner*innen die Gruppe frühzeitig bemerkt hätten, sei Schlimmeres verhindert worden. Als die Polizei eintrifft, findet sie keine Schlägerei vor, aber nach eigenen Angaben eine aufgeheizte Stimmung zwischen zwei Gruppen.
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Zana betont mehrmals die politische Motivation des Angriffs. »In den Medien hieß es immer, es gab Probleme in der Essensschlange, aber das stimmt nicht.« Diese Darstellung empfinde er als Verharmlosung. »Ich habe zehn Jahre lang in der Türkei mit Menschenrechtsorganisationen gearbeitet, ich weiß, was Rassismus und was ein Essensschlangen-Problem ist.«
Die Angreifer in Tegel hält er für islamistische Fundamentalisten. Dafür habe es schon vor der Eskalation Anzeichen gegeben. »Im Schlafraum haben sie immer sehr laut Koran-Musik gespielt, die ganze Nacht. Einer hat immer extra neben meinem Bett gebetet.« Dazu kommen sexistische Übergriffe gegen kurdische Frauen wie auch gegen andere Bewohnerinnen – sowohl durch Security als auch durch die Gruppe aggressiver Bewohner, die laut Aysegül größtenteils am Angriff beteiligt war. »Wir werden systematisch belästigt. Sie kommen zu den Frauen in den Essensbereich, machen Lärm, rufen sexistische Sprüche«, erzählt sie. Auf dem Gelände seien sie nur noch in Gruppen unterwegs.
Von den Sicherheitsleuten erwarten sie keine Hilfe. Dass es bei den Security-Diensten kurdenfeindliche Mitarbeiter gibt, legt die Entlassung dreier Sicherheitsleute wegen »nicht adäquaten Verhaltens« nahe. Laut »Tagesspiegel« geht es in zwei Fällen um antikurdischen Rassismus. Am Sonntagabend kontrollierte die Polizei außerdem bei einer Razzia alle in Tegel beschäftigten Wachleute. Von 183 Sicherheitskräften konnten 55 keine ausreichende Qualifikation vorweisen und mussten sofort ihren Dienst beenden.
Zana, Aysegül und Cem hoffen, möglichst bald ausziehen zu können. Noch warten sie auf Antworten der Ausländerbehörde bezüglich ihrer Asylanträge. Was die schlimmen Lebensbedingungen in der Massenunterkunft Tegel betrifft, die zurzeit über 5000 Menschen auf engstem Raum beherbergt und weder eine ausreichende Gesundheitsversorgung noch Kultur- oder Bildungsangebote bereitstellt, sagt Zana: »Die richtige Lösung wäre, das Camp Tegel komplett zu schließen.«
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