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Macron sucht Kompromiss bei Sterbehilfe
Sterbehilfe soll in Frankreich per Gesetz erlaubt und geregelt werden
Präsident Emmanuel Macron hat in einem Interview die wichtigsten Züge des Gesetzes über Sterbehilfe darlegt, das im April vom Ministerrat beschlossen und ab Mai im Parlament behandelt und verabschiedet werden soll.
Dass der französische Präsident für ein Interview zum Thema Sterbehilfe Anfang der Woche Journalisten der linken Zeitung »Libération« und des katholischen Blatts »La Croix« ins Elysée einlud, zeugt von seiner Absicht, bei diesem brisanten Thema sowohl die fortschrittlichen Kräfte als auch die eher konservativen Franzosen für eine Änderung der Rechtslage zu gewinnen.
Macon will französisches Modell
Dabei machte Emmanuel Macron deutlich, dass er das belgisch-niederländische Euthanasie-Modell ablehnt und dem Schweizer Modell der Suizid-Hilfe näher steht – ohne jedoch so weit zu gehen wie dieses und auch ohne die beiden Begriffe zu verwenden. »Die Bezeichnung, die wir für das französische Modell gewählt haben, ist Hilfe beim Sterben, denn das ist schlicht und human«, sagte er. Das Gesetz solle kein »Anrecht« schaffen, sondern eine »Möglichkeit« eröffnen.
Für Frankreich wäre das jedoch schon ein großer Schritt, nachdem zuletzt 2016 durch das Gesetz Claeys-Leonetti die medikamentöse »tiefe Sedierung« von ins Koma gefallenen unheilbar kranken Patienten bis zum Eintritt des Todes erlaubt wurde, wenn dies die betreffende Person vorab in ihrer Patientenverfügung gewünscht oder nicht ausgeschlossen hatte. Die Behörden raten den Bürgern dazu, schon in jungen Jahren ihren Willen in einer solchen Verfügung festzuhalten.
Franzosen befürworten Sterbehilfe
Doch dies ging vielen Franzosen nicht weit genug. Sie fordern bereits seit Jahren nachdrücklich aktive Sterbehilfe durch einen Mediziner, oder zumindest Suizidhilfe durch Bereitstellung eines durch den Patienten selbst einzunehmenden tödlichen Medikaments. In Umfragen wird die Sterbehilfe von rund 90 Prozent der Franzosen befürwortet und selbst von 70 Prozent der Katholiken.
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Daher hatte Präsident Macron vor einem Jahr per Los einen knapp 200 Personen umfassenden repräsentativen Bürgerkonvent einberufen, der über mehrere Monate hinweg über das Thema diskutierte und am Ende eine Reihe von Vorschlägen vorlegte. Diese gingen teilweise sehr weit, und sicher nicht zuletzt um das auszugleichen, hat Macron mehrfach die eher kritischen Vertreter der Ärzteschaft und der verschiedenen Religionsgemeinschaften konsultiert.
Neues Gesetz ist Kompromiss
Der jetzt skizzierte Gesetzestext soll wohl ein Kompromiss sein. Dabei wird Sterbehilfe von vier Vorbedingungen abhängig gemacht. So sollen nur Erwachsene infrage kommen, die über ihre uneingeschränkte Geistes- und Urteilsfähigkeit verfügen, also keine Kinder und Jugendlichen oder beispielsweise keine Alzheimerkranken. Die zweite Bedingung ist, dass sie eine unheilbare Krankheit haben, an der sie kurz- oder mittelfristig sterben würden und die ihnen Schmerzen bereitet, gegen die es keine wirksamen Mittel gibt. Die Entscheidung soll ein Kollegium von Ärzten fällen.
Wenn durch das Gremium dem Wunsch des Patienten nach Sterbehilfe entsprochen wird, bekommt er das Medikament im Krankenhaus und kann es dort oder zu Hause selbst nehmen oder – wenn dies aufgrund seines körperlichen Zustands nicht möglich ist – sich durch eine Person seiner Wahl verabreichen lassen.
Aktivisten fordern Nachbesserungen
Gewissermaßen als Sprecher der Franzosen, die seit vielen Jahren für Sterbehilfe kämpfen, hat Jean-Luc Romero, der Gründer und Ehrenpräsident der »Vereinigung für Sterben in Würde«, Macrons Gesetzesinitiative begrüßt, aber auf Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht. Darüber müsse in der Parlamentsdebatte diskutiert werden, um praktikable Kompromisslösungen zu finden.
So wird dem Ärztekollegium das entscheidende Urteilsrecht zuerkannt, obwohl es doch eigentlich um das Schicksal eines Patienten geht. Das musste auch schon Macron selbst während des Interviews auf eine entsprechende Nachfrage einräumen. Wenn sich die Ärzte eines Kollegiums nicht einigen können oder wenn der Patient ihr Urteil nicht anerkennt, soll ein neues Ärztekollegium angerufen werden, meinte dazu Macron.
Palliativmedizin nur mangelhaft ausgebaut
Die katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften haben das angekündigte Gesetz bereits scharf abgelehnt, ebenso Politiker der rechten Oppositionspartei der Republikaner und der rechtsextremen Bewegung Rassemblement National. Aber auch viele Ärzte äußern Besorgnis und Kritik oder weisen das Gesetz pauschal zurück, weil sie sich mehr dem Auftrag verpflichtet fühlen, zu heilen oder zumindest zu lindern und nicht Leben vorzeitig zu beenden.
Häufig wird auf die Möglichkeit einer schmerzlindernden Begleitung bis zum Tod durch Palliativmedizin hingewiesen. Das ist aber wirklichkeitsfremd, denn in 21 der 100 Departements des Landes gibt es keinerlei Struktur oder Personal dafür und in den anderen reicht diese nicht aus. So hat im vergangenen Jahr nur jeder zweite sterbenskranke Franzose, der Anspruch auf palliativmedizinische Betreuung gehabt hätte, diese auch wirklich bekommen. Das trägt sicher wesentlich dazu bei, dass sich Umfragen zufolge 83 Prozent der Franzosen entschieden für Sterbehilfe aussprechen.
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