Sonnenaufgang ohne Subventionen

Während die deutsche Solarbranche in der Krise steckt, glaubt ein Start-up in Sachsen an seine Chance

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.
Der im sächsischen Ottendorf-Okrilla ansässige neue Solarhersteller Sunmaxx ist zuversichtlich, trotz der Krise der deutschen Solarbranche bestehen zu können
Der im sächsischen Ottendorf-Okrilla ansässige neue Solarhersteller Sunmaxx ist zuversichtlich, trotz der Krise der deutschen Solarbranche bestehen zu können

In der Halle im Gewerbegebiet von Ottendorf-Okrilla kommt einem Udo Jürgens in den Sinn. Der Schlagersänger veröffentlichte 1967 ein Lied über die Wechselfälle des Lebens. »Wenn der Herbstwind es so bestimmt, wenn das Leben uns etwas nimmt: Vertrau der Zeit«, sang er und fügte eine Zeile an, die zum geflügelten Wort geworden ist: »... denn immer, immer wieder geht die Sonne auf.«

Durch eine Industriebranche, die mit der Sonne Geld verdienen will, weht im Frühjahr 2024 zumindest in Deutschland und Europa der Herbstwind. Die Solarindustrie, deren Produkte für eine Zukunft ohne Treibhausgase dringend gebraucht werden, erlebt einen Sonnenuntergang. Im sächsischen Freiberg hat das Unternehmen Meyer Burger die Produktion von Photovoltaik-Modulen gestoppt, weil deren Herstellung angesichts eines Dumpingwettbewerbs aus Fernost nicht mehr wirtschaftlich ist. 500 Mitarbeiter wurden gekündigt; Ende April ist ihr letzter Arbeitstag. Das Leben, um mit Udo Jürgens zu sprechen, hat ihnen einiges genommen. Michael Kellner, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, räumt ein, es sei gerade »nicht alles rosarot in der PV-Industrie«. Man blicke »mit Sorge« auf die Branche, ergänzt Sachsens SPD-Wirtschaftsminister Martin Dulig.

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Kellner und Dulig stehen an diesem Montag 50 Kilometer von Freiberg entfernt in Ottendorf-Okrilla, wo ein guter Ort wäre, den optimistischeren Teil von Jürgens’ Schlager zu intonieren. Hier soll die Sonne wieder aufgehen: bei dem Unternehmen Solarmaxx, das eine vielseitigere Version von Solarmodulen herstellt. Von vorn unterscheiden sie sich nicht von jenen, die bei Meyer Burger gefertigt wurden und Sonnenlicht in Strom umwandeln. Auf der Rückseite aber sind schlangenförmige Rippen in ein Blech geprägt; zudem gibt es neben Kabelanschlüssen zwei flexible Schläuche. Durch diese, sagt Geschäftsführer Wilhelm Stein, strömt Flüssigkeit, die die Abwärme der Solarzellen einer Wärmepumpe zuführt und für die Heizung etwa von Wohnräumen und Büros verfügbar macht. »Photovoltaisch-thermische Module« (PVT) heißen die Produkte, deren Wirkungsgrad viermal höher als der von PV-Modulen ist und mit denen man den Mitbewerbern »mehrere Jahre voraus« sei. Stein ist zuversichtlich, dass man »gegenüber der asiatischen Konkurrenz dauerhaft konkurrenzfähig sein« könne.

Bisher haben solche Hoffnungen für die deutsche Solarbranche immer getrogen. Sie hat schon mehrere euphorische Aufbrüche hinter sich, gefolgt jeweils von Ernüchterung. Anfang der 2000er Jahre ging es zum ersten Mal los. In einem bald Solar Valley genannten Industriegebiet im sachsen-anhaltischen Thalheim erlebte der Hersteller Q-Cells einen phänomenalen Aufschwung. Befördert vom Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung, katapultierte sich die Firma zur Nummer 3 weltweit und zog weitere Ansiedlungen nach sich. Tausende Jobs entstanden. Zehn Jahre später war der Traum ausgeträumt. Chinesische Billigprodukte überschwemmten den europäischen Markt, heimische Hersteller warfen reihenweise das Handtuch.

Einer, den es erst mit einiger Verspätung erwischte, produzierte in Freiberg. Die von dem schillernden Unternehmer Frank Asbeck gegründete Solarworld galt als Vorzeigeunternehmen der deutschen Energiewende: der renommierteste Hersteller von Photovoltaik-Modulen, Komponenten und Bausätzen, mit denen jeder Hausbesitzer Erzeuger von sauberem Sonnenstrom werden konnte. Eine erste Krise im April 2013 überstand man; im Sommer 2018 war indes wegen der Billigkonkurrenz aus China Schluss. 3000 Menschen verloren ihre Jobs.

Drei Jahre später zog Meyer Burger in die verwaisten Hallen ein, weckte neue Hoffnungen – und scheitert nun an den gleichen Rahmenbedingungen wie einst Solarworld. China flutet den europäischen Markt mit Modulen zu Kampfpreisen, seit diese wegen der aktuellen US-Industriepolitik in Übersee nicht mehr abgesetzt werden können. Von »aktuellen Marktverzerrungen durch Überangebot und Dumpingpreise bei Solarmodulen« war in einer Börsennotiz von Meyer Burger die Rede. Das Unternehmen schrieb 2023 Verluste von 126 Millionen Schweizer Franken. Zuletzt hatte man auf politische Unterstützung zum Beispiel in Form eines »Resilienzbonus« gehofft, der den Kauf von Modulen aus heimischer Produktion honoriert. Das Hilfspaket scheiterte an der FDP. Ein Bundestagsabgeordneter ätzte: »Wenn ein Geschäftsmodell nur mit Subventionen funktioniert, ist es keins.«

Sunmaxx hofft, ein besseres Modell zu haben. Man habe »ein Massenprodukt veredelt« und hoffe, durch weitere Innovationen sowie eine Produktion im großen Stil die Kosten für die Module weiter senken zu können, sagt Stein: »Wir denken, das kann auch ohne staatliche Subventionen funktionieren.« Die Hoffnung teilen viele. Es wäre wichtig, »Schlüsseltechnologien durch nachhaltige Geschäftsmodelle« im Land zu halten, sagt Wirtschaftsminister Dulig. Staatssekretär Kellner verweist vorsorglich trotzdem auf den in der EU beratenen Net Zero Industry Act, der, wenn er von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten bestätigt wird, dafür sorgen könnte, dass bei Ausschreibungen »Produkte aus Europa besonders berücksichtigt werden«.

Noch liefert Sunmaxx nur einen geringen Teil davon. Bis Ende 2024 sollen Module mit zehn Megawatt Leistung produziert werden, das reicht für 1000 Einfamilienhäuser. Die Zahl der Jobs ist mit 25 noch recht gering, Ende 2024 sollen es bis zu 80 sein. Wenn es gut läuft, kann die Produktion aber auf drei Gigawatt im Jahr hochgefahren werden, wofür mehr Mitarbeiter benötigt würden. Potenzial gebe es genug. Demnächst soll ein komplettes Werk des baden-württembergischen Automobilzulieferers Mahle, der zu den Investoren bei Sunmaxx gehört, mit PVT-Elementen ausgerüstet werden, die den dortigen Strom- und Wärmebedarf komplett decken. »Mit Modulen wie unseren können ganze Stadtteile und Industriestandorte dekarbonisiert werden«, sagt Stein. Bleibt nur zu hoffen, dass sich China an der Technologie noch eine Weile die Zähne ausbeißt.

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