Ohne Bauplan in die Zukunft

Die Ampel will Wohnungslosigkeit bis 2030 beseitigen. Wie, bleibt unklar

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) stellt den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit in einer Einrichtung für Obdachlose vor.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) stellt den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit in einer Einrichtung für Obdachlose vor.

Der Nationale Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit (NAP) beginnt mit dem ersten Artikel des Grundgesetzes: Wohnungs- und Obdachlosigkeit verletze die unantastbare Menschenwürde. Deswegen, so steht es im am Mittwoch von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgestellten Plan, will die Ampel Wohnungslosigkeit bis 2030 überwinden. Dazu schweben ihr drei Leitlinien vor: die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, der Ausbau der Prävention und die Verbesserung des Hilfesystems wie die Notunterbringung.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) geht davon aus, dass momentan über 600 000 Menschen wohnungslos sind. 50 000 davon leben ohne Unterkunft auf der Straße, sind also obdachlos. Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W, sagt auf nd-Anfrage, sie »würdige die Willensbekundung« hinsichtlich der geplanten Maßnahmen. Durch die Unbestimmtheit der Formulierungen würde es jedoch schwierig, die Umsetzung der Maßnahmen zu prüfen. Auch die wohnungspolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag, Caren Lay, bezeichnete den NAP am Mittwoch als »Augenauswischerei«.

Ein Blick in den Aktionsplan zeigt: Viel mehr als grobe Ideen und veraltete Zahlen gibt er tatsächlich nicht her. Bund, Länder und Kommunen sollen »prüfen«, ob wohnungslose Menschen in der Wohnbauförderung ausreichend berücksichtigt werden, neue Instrumente seien »in den nächsten Jahren zu entwickeln«.

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Zum Thema Präventionsstellen vermerkt der Plan, sie seien »ein wichtiger Bestandteil« der Unterstützungssysteme, ihre Schaffung werde »eine wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren sein«, und es solle enger mit bereits bestehenden Stellen zusammengearbeitet werden. Gleiches gilt für die Hilfsstrukturen. In Notunterkünften sollen »Wege gefunden werden«, die Privatsphäre zu verbessern.

Klar bestimmt der NAP nur, dass der Ansatz »Housing First« zu den geplanten Maßnahmen gehört. Künftig soll der Fokus bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit also auf der Beschaffung einer Wohnung liegen. Die Finanzhilfen des Bundes für den sozialen Wohnbau sollen außerdem von 2022 bis 2027 18,15 Milliarden Euro betragen. Das steht allerdings bereits in der aktuellen Finanzplanung.

Ungeklärt scheint das Thema Mietschulden. Der verbreitetste Grund für Wohnungslosigkeit solle zwar künftig »nach Kräften« vermieden werden; Mietschulden könnten bei »vorliegenden Voraussetzungen« von staatlichen Stellen übernommen werden. Zugleich sollen sich Mieter*innen »ihrer Verantwortung bewusst sein« die Schulden selbst verursacht zu haben.

Die Wohnungslosen-Stiftung, der Interessenverband wohnungsloser Menschen, fordert, den Umgang mit Mietschulden radikaler anzugehen. Zwangsräumungen solle es nur geben, wenn eine gleichwertige bezahlbare Wohnung zur Verfügung gestellt werden kann. Die Stiftung kritisierte zudem, nicht ausreichend in den Prozess des NAP eingebunden worden zu sein.

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