Werbung

Berlin: Organisierung von unten abgesägt

Senat stellt Förderung für mietpolitisches Initiativenforum ein

Gegen hohe Mieten: Die Berliner Mieter*innenbewegung muss in Zukunft ohne das »Initiativenforum Stadtpolitik« auskommen.
Gegen hohe Mieten: Die Berliner Mieter*innenbewegung muss in Zukunft ohne das »Initiativenforum Stadtpolitik« auskommen.

Es ist ein einzigartiges Projekt, dem still und leise der Geldhahn zugedreht wird. Das »Initiativenforum Stadtpolitik Berlin« (Iniforum) wird nicht mehr vom Senat gefördert. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schenker, hervor, die »nd« exklusiv vorliegt. Noch 2023 gab es eine Projektförderung an den Verein Stadtprojekte e.V., mit der gezielt das Iniforum gestützt wurde.

»Ohne Angabe von Gründen wickelt der schwarz-rote Senat das Initiativenforum ab«, sagt Schenker. Das Forum, das aus dem Runden Tisch Mietenpolitik hervorging, sei eine wichtige Struktur zur Unterstützung von Mieter*innen gewesen, die unter dem »mietenpolitischen Totalversagen« der Bundesregierung leiden. »Wenn Mieten und Heizkosten explodieren, ist eine solche Plattform notwendiger denn je.«

Mietpolitische Meta-Initiative

Das 2019 gestartete Iniforum ist quasi eine Meta-Initiative, die die zahlreichen wohnungs- und mietpolitischen Initiativen der Hauptstadt untereinander vernetzt und neue Stadtteilgruppen auf vielfältige Art und Weise unterstützt hat, beispielsweise mit Workshops, Infoveranstaltungen oder Gutachten. Mieter*innen wurde das »Das kleine Handbuch Wohnen und Mieten« in fünf Sprachen zur Verfügung gestellt, um über grundlegende Rechte aufzuklären.

Auch ein stetiger Kontakt zu Politik und Verwaltung wurde aufgebaut: Noch bis Dezember 2023 veranstalte das Forum im Quartalsrhythmus »Stadtpolitische Hearings« im Abgeordnetenhaus. In diesen konnten Aktivist*innen Themen und Forderungen mit Verantwortlichen diskutieren. Politik von unten also, eine Stärkung der Präsenz der Zivilgesellschaft im Politikbetrieb. Ab 2020, als die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch in der Hand der Linken war, wurden vom Senat vier Teilzeitstellen für die Arbeit des Forums finanziert.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Schon als nach der Berlin-Wahl 2021 die SPD, noch in Koalition mit Grünen und Linken, das Haus übernahm, stand die Fortführung der Förderung auf der Kippe. Wurde in der Ausschreibung für die entsprechenden Mittel zuvor noch das Forum explizit genannt, galt die Ausschreibung 2022 dem »Austausch zwischen Initiativen und Vereinen zu wohnungs- und mietenpolitischen Fragen durch Projektförderung«. Am Ende bekam Stadtprojekte e.V. nach öffentlicher Kritik trotzdem den Zuschlag.

Für den Haushalt 2024/2025 sind wieder Mittel »für Maßnahmen zur Vernetzung zwischen Politik, Verwaltung, organisierter Zivilgesellschaft und städtebaulichen Bewegungen im Bereich des Wohnungswesens« vorgesehen, wie der Senat in der eingangs erwähnten Antwort schreibt. Ganze 165 000 Euro jeweils für 2024 und 2025. Allerdings ist jetzt nicht mehr das »konkrete Format des Initiativforums« vorgesehen, wie der Senat schreibt. Eine Ausschreibung für die Mittel ist noch nicht erfolgt. Die Antwort auf die Frage, warum die Förderung des Iniforums nicht mehr fortgesetzt werden soll, bleibt der Senat schuldig.

Für das Iniforum bedeutet das, dass die Arbeit ab 2024 eingestellt werden musste. Die angestellten Mitarbeiter*innen, die vorher die wichtige Koordinierung zwischen Initiativen gemacht hatten, können das Projekt nicht ehrenamtlich weiterführen. Zu groß wäre der Arbeitsaufwand, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter dem »nd«.

Unklare Förderungspraxis

Nun ist es nicht so, dass der Senat gar keine Projekte aus der Mieter*innenbewegung mehr fördert. »Pankow gegen Verdrängung« wurde mit einer nicht näher genannten Summe bei der Vorbereitung und Durchführung des »Krisengipfels gegen Verdrängung« am 15. März unterstützt. Ursprünglich stand das Iniforum noch mit Rat und Tat zur Seite, sagt eine Aktivist*in von »Pankow gegen Verdrängung« im Gespräch mit »nd«. »Wir haben das auch gebraucht, wir sind ja alle berufstätig und können so was nicht nebenher machen«. Dann musste das Stadtforum die Arbeit einstellen. Die dann erfolgte organisatorische Unterstützung des Krisengipfels aus Senatsmitteln kam nach einem Treffen mit Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) im Dezember 2023. Interessant: Die Aktivistin berichtet, dass Gaebler selbst im Dezember im Gespräch noch sagte, dass das Iniforum ja unterstützen könnte, er also nicht von einer Beendigung der Förderung ausging.

Jetzt ist aber die verstetigte Stärkung von Initiativen aus dem Senat zunächst einmal Geschichte. Für Niklas Schenker ist das problematisch: »Statt einer funktionierenden Struktur werden nun bestenfalls Einzelmaßnahmen nach dem Gusto des Senats bezuschusst.« Dass gleichzeitig hunderttausende Euro in das dekadente wie wirkungslose Wohnungsbündnis mit Vonovia fließen würden, zeige, dass der Senat sich im Kampf der Mieter*innen gegen den Mietenwahnsinn an die Seite der Immobilienunternehmen stelle.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal