Die Berliner Linke wächst

Bis Herbst verlor der Landesverband unter dem Strich 1000 Mitglieder, seitdem gewann er 1400 dazu

Die Linke-Landesvorsitzende Franziska Brychcy bei einem Parteitag im vergangenen Jahr.
Die Linke-Landesvorsitzende Franziska Brychcy bei einem Parteitag im vergangenen Jahr.

Erst die Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023, dann die Teilwiederholung der Bundestagswahl im Februar 2024 und nun am 9. Juni die Europawahl. Man könnte glauben, die Genossen haben von Wahlkämpfen genug. Doch Linke-Landesgeschäftsführer Sebastian Koch sieht bei seinen Mitstreitern »keine Ermüdungserscheinungen« und ist deswegen selbst positiv überrascht. Vielleicht liege es daran, dass der Landesverband 1400 neue Mitglieder zähle. Für sie sei es jetzt der erste Wahlkampf und deshalb spannend, vermutete Koch am vergangenen Mittwoch bei einem Termin im Karl-Liebknecht-Haus.

Gleich vor der Tür auf dem Rosa-Luxemburg-Platz will die Berliner Linke an diesem Freitag um 16 Uhr gemeinsam mit der Bundespartei und ganz konkret mit dem Bundesvorsitzenden Martin Schirdewan in die heiße Wahlkampfphase starten. Gleich im Anschluss sollen die ersten Teams losziehen und an Haustüren klingeln. Es könnte spät werden.

Am Samstag muss der Landesvorsitzende Maximilian Schirmer dann früh aufstehen und zum Landesparteitag im Hotel Andel’s an der Landsberger Allee. Die Versammlung beginnt um 9.30 Uhr. 175 Delegierte werden erwartet und als Gäste der Bundesvorsitzende Schirdewan und der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi, der sich in der Generaldebatte zu Wort melden soll und dort wie alle anderen nur fünf Minuten Redezeit erhält. Landesgeschäftsführer Koch hat sich noch nicht im Detail überlegt, wie er reagiert, wenn Gysi überzieht, wie es diesem auch im Bundestag und bei anderen Gelegenheiten unterläuft, wenn er richtig in Fahrt kommt.

Auch der Landesvorsitzende Maximilian Schirmer ist in Fahrt. »Die CDU verhökert die Stadt und wir halten dagegen«, kündigte er am Mittwoch an. »Wir legen uns mit Berliner Schnauze mit den Großinvestoren an.« Oder wie es seine Ko-Landesvorsitzende Franziska Brychcy sagt: »Wir scheuen uns nicht, die Eigentumsfrage zu stellen.« Sie verwendet den Begriff »Infrastruktursozialismus« – man könne auch öffentliche Daseinsvorsorge dazu sagen.

7447 Mitglieder zählt die Berliner Linke jetzt. Damit ist sie der stärkste Landesverband der Partei. Von 2022 bis Herbst 2023 habe man unter dem Strich 1000 Mitglieder verloren, berichtet Landesgeschäftsführer Koch. Das sei die Phase des Streits gewesen, ob Sahra Wagenknecht eine eigene Partei gründet. Nachdem sie das dann definitiv angekündigt hatte, erlebte die Berliner Linke eine Eintrittswelle. Seitdem verzeichnete sie ein Plus von 1400 Personen, allein 300 mehr Mitglieder sind es seit Jahresbeginn geworden. Auch das hat den Landesgeschäftsführer positiv überrascht. Er hätte gedacht, dass es mit der offiziellen Gründung der Wagenknecht-Partei im Januar noch einmal eine Delle geben könnte.

Beim Landesparteitag am Samstag stehen konkurrierende Anträge zum Nahost-Konflikt zur Abstimmung. Der Antrag des Landesvorstands werde von acht der zwölf Bezirksvorsitzenden unterstützt, erläutert Schirmer. Er erwartet, dass es dafür eine große Mehrheit geben werde. »Schluss ist für uns dort, wo Antisemitismus anfängt und das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird«, sagt Schirmer. Brychcy ergänzt, die Bombardierung des Gazastreifens könne auch ohne antisemitische Untertöne kritisiert werden. »Den Terror der Hamas verharmlosen – da muss eine klare Grenze gezogen werden«, sagt sie.

Das will sie einem Antrag des Bezirksverbands Neukölln nicht unterstellen. Dort findet sich schließlich der Satz: »Wir verurteilen die entsetzlichen Attacken der islamistischen Hamas auf Israel.« Aber dort sei von »Völkermord« gleich in der Überschrift die Rede. Ob die israelischen Kriegsverbrechen im Gazastreifen als Genozid zu werten seien, müsse der Internationale Strafgerichtshof erst noch feststellen.

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