Brandenburg: Rezept gegen den Ärztemangel

Der Wissenschaftsrat gab seinen Segen für die geplante Universitätsmedizin in Cottbus

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in der Pflegeschule des Carl-Thiem-Klinikums.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in der Pflegeschule des Carl-Thiem-Klinikums.

In der Lausitz wird am bisherigen Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus eine Medizinische Universität entstehen. Am Montag hat der Wissenschaftsrat seinen Segen gegeben. Am Donnerstag verkündete Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) im Landtag, die Medizinerausbildung in Cottbus sei eine wirkungsvolle Maßnahme gegen den Ärztemangel. Ausdrücklich sehe das Gesetz zur Einführung einer staatlichen Universitätsmedizin im Land Brandenburg vor, »Landeskinder« mit einem Stipendium für eine Arzttätigkeit in Südbrandenburg zu gewinnen.

Mit dem Titel, den die SPD für die Aktuelle Stunde des Parlament gewählt hatte, machte sie bereits ihre Haltung deutlich: »Eine Universitätsmedizin für Brandenburg. Für Sicherheit und Stabilität bei der gesundheitlichen Versorgung im ganzen Land. Für die wirtschaftliche Entwicklung im Lausitzer Strukturwandel. Für Brandenburgs Zukunft.«

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Der SPD-Abgeordnete Erik Stohn zeigte sich in jeder Hinsicht begeistert von der Politik der eigenen Partei. Nun gelte es, »am Ball zu bleiben«, damit tatsächlich im Herbst 2026 mit der Immatrikulation der ersten Studierenden losgelegt werden könne. Jeweils 1,8 Milliarden Euro steuern Bund und Land bei, um in Cottbus einen hochwertigen Forschungs- und Ausbildungsstandort zu schaffen, an dem 1300 Menschen Arbeit finden sollen, darunter 80 Professoren. Dieses »Leuchtturmprojekt strahlt in der Lausitz besonders hell«, freute sich Stohn. Wenn internationale Kapazitäten dafür gewonnen werden sollen, dann müsse aber die Lausitz als weltoffene Region erscheinen. Für Stohn ist die AfD also das größte Hindernis bei diesem Vorhaben. Deshalb sei die Politik der AfD nicht allein ein Wohlstandsrisiko, sie sei »gesundheitsschädlich bis lebensgefährlich«, erklärte der SPD-Politiker.

Die oppositionelle Linke forderte die Koalitionsparteien auf, die Realitäten anzuerkennen und sich einen Blick für die wirkliche Lage im Gesundheitswesen Brandenburgs zu bewahren. Die linke Abgeordnete Isabelle Vandré wies darauf hin, dass mittlerweile in allen Landkreisen ähnliche Fragen gestellt werden: »Wie lange brauche ich zum nächsten Arzt? Wie schnell bekomme ich einen Facharzt-Termin?« Die Wahrheit sei, dass man »monatelang auf einen Termin wartet, sofern man überhaupt noch in einer Praxis als Patient aufgenommen wird«. Wenn in absehbarer Zeit 620 Landärzte in den Ruhestand treten, dann werde das die Lage verschärfen. »Auch ich bin für Optimismus zu haben«, sagte Vandré. Doch seien die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen zu schlecht, die Belastungen zu hoch. »So funktioniert das Gesundheitssystem nicht mehr.«

Vandré zufolge entschied Brandenburg nach der Wende, weiter auf eine eigene Medizinerausbildung zu verzichten und stattdessen mit der Berliner Universitätsklinik Charité zu kooperieren, zu deren akademischen Lehrkrankenhäusern in Brandenburg dann auch das Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum gehörte. Obwohl offensichtlich wurde, dass diese Kooperation immer weniger ihren Zweck erfüllte und am Ende sogar gescheitert war, habe sich die Landesregierung »jahrelang vor einer Entscheidung gedrückt«, sagte Vandré. Die Gründung der privaten Medizinischen Hochschule Brandenburg in Neuruppin vor zehn Jahren und anderer »Wildwuchs« seien halbherzige Versuche des Gegensteuerns gewesen. Am Ende standen »zunehmende Versorgungsschwierigkeiten«. Die Entscheidung für eine staatlichen Universitätsmedizin sei daher längst überfällig gewesen und müsse unbedingt gelingen. »Scheitern ist hier keine Option.«

Man dürfe aber schon erstaunt darauf hinweisen, dass der Landesbeitrag von ursprünglich 600 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden angewachsen sei, so die Abgeordnete. Ihr zufolge steht hinter dem Zeitplan ein Fragezeichen. »Ist der Studienbeginn 2026 noch ambitioniert oder schon abenteuerlich?« Es gelte sicherzustellen, dass die Gründung nicht auf Sand gebaut ist. Ständige Transparenz sei genauso unabdingbar wie das Einbeziehen der Mitarbeiter in alle Schritte. Eine Festlegung zu »guter Mitbestimmung fehlt bisher im Gesetz«. Außerdem müsse es Klarheit geben über die Finanzierung über das Jahr 2038 hinaus.

Für die CDU wies der Abgeordnete, Orthopäde und Professor Michael Schirack darauf hin, dass sich Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) einst gegen eine private Medizinausbildung in Brandenburg gewehrt und sie als »Teufelszeug« behandelt habe. Für ihn sind die Pläne für das Universitätsklinikum in Cottbus mit neuen Studienrichtungen wie Medizininformatik revolutionär. Bei Diagnostik und Therapie würden völlig neue Wege eingeschlagen, die geplanten »patientenorientierten Prozesse« seien einmalig und so konsequent wie in keiner anderen Klinik in Deutschland angelegt. Das neu zu gewinnende Personal und die schon am bisherigen Carl-Thiem-Klinikum Beschäftigten würden zusammen eine Zahl von 4500 Mitarbeitern ergeben. »Das ist nicht zu unterschätzen.«

Der Abgeordnete Matthias Stefke (Freie Wähler) erinnerte noch einmal daran, dass die Realisierung dieses Projekts nur in den Möglichkeitsbereich gekommen sei, weil der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung der Niederlausitz 10,3 Milliarden Euro Fördermittel für den Strukturwandel verheiße. Ob das viele Geld für die Universitätsmedizin der richtige Weg sei, Ersatzjobs für bisherige Kumpel in den Tagebauen und für die Arbeiter in den Kohlekraftwerken zu schaffen, war vor Jahren auch in der Linken skeptisch gefragt worden.

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