Mit Sternchen und Fußnote

Noch scheinen die Differenzen zwischen Belgrad und Priština unüberbrückbar zu sein

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 3 Min.
Niemals werde Serbien einen unabhängigen Staat Kosovo anerkennen, verkünden die Regierenden in Belgrad seit Jahren - auch nicht im Tausch für die Aufnahme in die EU. Den EU-Beitritt hat Belgrad inzwischen jedoch zur »Priorität« erklärt. Woraus ein wahrer Eiertanz in der Kosovo-Frage resultiert.

Als Serbiens ehemaliger Präsident Boris Tadic im Juli 2012 bei einer Konferenz im kroatischen Dubrovnik dem kosovarischen Regierungschef Hashim Thaci die Hand gab, erboste sich Ivica Dačić - damals noch nicht als Ministerpräsident bestätigt: »Das ist mir ein absolutes Rätsel.« Wie könne man einem Mann wie Thaci, der im Verdacht steht, in den illegalen Handel mit Organen getöteter Serben verstrickt zu sein, auf solche Weise Legitimität zuerkennen!

Inzwischen ist Dačić Regierungschef und selbst bereits viermal mit Thaci zusammengetroffen. Unter Aufsicht der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton wurden in Brüssel »Verfahrensfragen« erörtert. Ein Ergebnis war die Einrichtung gemeinsamer Kontrollen an Übergängen zwischen dem serbischen Kerngebiet und Kosovo, das laut serbischer Verfassung als »Autonome Provinz Kosovo und Metochien« nach wie vor Teil der Republik Serbien ist. An den Übergängen - darauf bestand Belgrad - dürfen keine Symbole der »Republik Kosovo« gezeigt werden. Schon vorher war vereinbart worden, dass Vertreter aus Priština hinter dem Namensschild »Kosovo*« (ohne »Republik«) an regionalen Treffen teilnehmen und Abkommen unterzeichnen dürfen. Das Sternchen steht für eine Fußnote, in der es heißt: »Dieser Name präjudiziert nicht den Status Kosovos und steht im Einklang mit der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates und der Meinung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) über die Unabhängigkeitserklärung Kosovos.« Während die Resolution aus dem Jahre 1999 Kosovo als Teil des damaligen Jugoslawiens bestätigte, interpretierte der IGH Kosovos Unabhängigkeitserklärung 2010 als nicht rechtswidrig. Das eine widerspricht dem anderen.

Noch scheinen die Differenzen zwischen Belgrad und Priština unüberbrückbar zu sein

Niemals werde Serbien einen unabhängigen Staat Kosovo anerkennen, verkünden die Regierenden in Belgrad seit Jahren – auch nicht im Tausch für die Aufnahme in die EU. Den EU-Beitritt hat Belgrad inzwischen jedoch zur »Priorität« erklärt. Woraus ein wahrer Eiertanz in der Kosovo-Frage resultiert. Mehr zum Thema: Mit Sternchen und Fußnote von Detlef D. Pries

Am 6. Februar setzten sich in Brüssel erstmals sogar die Präsidenten Serbiens und Kosovos, Tomislav Nikolić und Atifete Jahjaga, mit Frau Ashton an einen Tisch (genauer gesagt drei Tische). Jahjaga ließ keinen Zweifel an ihrer Auffassung, dass es sich um ein Treffen der Staatsoberhäupter zweier »souveräner, unabhängiger Staaten« handelte. Wogegen Nikolić bekräftigte: »Kosovo kann kein unabhängiger Staat sein und ich verstehe nicht, warum nicht auch andere Lösungen diskutiert werden sollten.« Belgrad wäre bereit, der autonomen Provinz eine unabhängige Justiz, Präsidentschaft, Regierung und Parlament zuzugestehen, verlangt aber auch weitgehende Autonomie für die serbischen Gemeinden in Kosovo, insbesondere die rund 40 000 Serben, die nördlich des Flusses Ibar und der faktisch geteilten Stadt Kosovska Mitrovica als kompakte Gemeinschaft leben. Gerade dieses Gebiet, in dem Serbien bis heute Polizei, Justiz und Verwaltung finanziert, will die Regierung in Priština aber endlich unter ihre Kontrolle bringen - und wird darin von der EU unterstützt.

Serbiens Regierung hat indes kein wichtigeres Ziel als die EU-Mitgliedschaft. Sehnlichst hofft man in Belgrad, dass die Union im Juni ein Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen nennt. Um Belgrad zu größeren Zugeständnissen zu bewegen, lassen die EU-Gewaltigen jedoch offen, bis zu welchem Grad sie die Kosovo-Frage vorher geklärt sehen wollen. Dabei erkennen auch die EU-Staaten Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern die Unabhängigkeit Kosovos nicht an.

Ivica Dačić wird sich am 19. und 20. Februar in Brüssel erneut mit Hashim Thaci zusammensetzen. Thema sollen die »parallelen Institutionen« Serbiens im Norden Kosovos sein. Die dortigen Serben hatten in einem Referendum vor einem Jahr einhellig die Unterordnung unter die Regierung in Priština abgelehnt. Nun fürchten sie, dass sie letztlich doch für die EU-Beitrittsverhandlungen geopfert werden. Dačić dürfe keine weiteren Zugeständnisse machen, fordert Krstimir Pantić, der serbische Bürgermeister von Kosovska Mitrovica.

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