Auf Oppositionswahlkampf setzen

Thomas Hecker über die Ziele der Linkspartei und Angebote an Rot-Grün

  • Lesedauer: 5 Min.

Bis Juni 2013 soll das Wahlprogramm der Linkspartei stehen – nach breiter Diskussion. Wortmeldungen zum ersten vollständigen Entwurf, vorgelegt am 20. Februar und 87 Seiten dick, gibt es bereits. Thomas Hecker von der Kommunistischen Plattform warnt davor, weiter Kooperationsangebote gegenüber SPD und Grünen zu machen – für die sich die Linke ohnehin »in regelmäßigen Abständen Absagen« einholt. Außerdem plädiert die Kommunistische Plattform für eine anders gefasste Präambel im Wahlprogramm: Dieses »würde weiter gewinnen, wenn sich in ihm der weitgehend antikapitalistische Charakter unserer Erfurter Programmatik stärker widerspiegeln würde«.

In der Reihe »Was will die Linke?« zum Wahlprogramm der Partei sind an dieser Stelle bisher Texte von Ralf Krämer (hier), Halina Wawzyniak (hier), Klaus Lederer (hier), Klaus Ernst und Jan Korte (hier) sowie des Sprecherrates der Antikapitalistischen Linken (hier) und von Steffen Harzer (hier) – die Debatte wird fortgesetzt.

Auf Oppositionswahlkampf setzen / Von Thomas Hecker

Sigmar Gabriel und ebenso andere Protagonisten von SPD und Grünen werden nicht müde zu behaupten, bei den Bundestagswahlen am 22.09.2013 sei jede Stimme für die LINKE faktisch eine für Merkel. Manche Äußerungen namhafter Politikerinnen und Politiker unserer Partei scheinen von dem Glauben beseelt, wir würden dieser Demagogie Gabriels und anderer etwas entgegensetzen, wenn wir sagen, wir könnten es uns unter bestimmten Umständen vorstellen, Steinbrück zu wählen.

Das hatten wir schon einmal. 2002 in der PDS unter der Losung »Stoiber verhindern«. Damals wurde gesagt, wir könnten es uns vorstellen, unter bestimmten Umständen Schröder zu wählen. Das Ergebnis ist bekannt: Wir blieben unter 5 Prozent. Zum einen wählen diejenigen, die eine SPD-Regierung wollen, stets eher das Original als eine wie auch immer geartete Kopie. Und zum anderen wollten Wähler, die Stoiber ablehnten, deswegen noch lange nicht Schröder. Sie suchten nach einer Alternative, die wir selbst verwischt hatten. Auch heute setzen Wählerinnen und Wähler, die Angela Merkel nicht mehr wollen, deshalb noch lange nicht auf Peer Steinbrück. Ich kann das verstehen.

Wir sollten aufhören, uns in regelmäßigen Abständen Absagen für faktische Koalitionsangebote einzuholen. Das kann ganz schnell würdelos wirken und zudem lächerlich. Und wir sollten auch aufhören, bei potentiellen Wählerinnen und Wählern substantielle Zweifel zu produzieren. Es muss Zweifel hervorrufen, wenn einerseits die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene in Erwägung gezogen wird und andererseits unser Alleinstellungsmerkmal aufrechterhalten werden soll, dass wir keinen Auslandseinsätzen der Bundeswehr zustimmen und Waffenexporte prinzipiell ablehnen. Beides zusammen geht nicht. Die Staatsräson der BRD verlangt die Erfüllung von Bündnisverpflichtungen in NATO und EU. Ohne die Respektierung dieser Räson ist Koalitionsfähigkeit nicht gegeben.

Im vorliegenden Wahlprogrammentwurf – und das ist gut so – sind die friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN klar fixiert und er setzt in der Sache auf Oppositionswahlkampf. Das Wahlprogramm würde weiter gewinnen, wenn sich in ihm der weitgehend antikapitalistische Charakter unserer Erfurter Programmatik stärker widerspiegeln würde. Deshalb werden wir den Antrag stellen, die Präambel neu zu fassen und haben einen entsprechenden Text erarbeitet, dessen erste Hälfte ich hier vorstelle:

»Die aktuelle gesellschaftliche Situation verlangt geradezu danach, dass DIE LINKE im kommenden Bundestag wieder mit einer starken Fraktion vertreten sein wird. Wer, wenn nicht wir, stünde in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise noch auf der Seite der Erniedrigten und Beleidigten gegen die Ausbeutung der Mehrheit durch eine verantwortungslose, dekadente Minderheit. Wer außer uns verträte im Bundestag angesichts des Bürgerkriegs in Syrien und der Patriot-Raketenstationierung in der Türkei, angesichts des Militäreinsatzes in Mali und der Kriegsdrohungen gegen den Iran noch konsequente friedenspolitische Positionen? Besonders diese programmatischen Positionen sind den Herrschenden, den Protagonisten in den etablierten Parteien sowie den maßgeblichen Medien ein Dorn im Auge. Sie dichten uns mangelnde Politikfähigkeit an und versuchen aus Entwicklungsproblemen einer in ihrer jetzigen Gestalt jungen Partei unser Scheitern zu machen. Wir werden in einem engagierten Wahlkampf unsere Politik- und Mobilisierungsfähigkeit unter Beweis stellen. In diesem Land diktiert eine kleine Minderheit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen. Im Mittelpunkt einer die Kapitalverwertungsbedingungen stetig optimierenden Politik steht nicht der Mensch, sondern der Profit. Wer Hartz IV durchsetzt und verteidigt, auch, indem er sich nicht davon distanziert, wer laufende und zukünftige Kriege führt und legitimiert, und sei es mit der Behauptung, sie dienten Menschenrechten, wer die großen Banken mit dem Verweis auf ihre Systemrelevanz schützen will und somit deren Profite – wer das und anderes vertritt, was allein den Interessen einer Minderheit dient, steht gegen das Interesse der Mehrheit und gegen die allgemeine Wohlfahrt. DIE LINKE wird nicht zum politischen Establishment gezählt und will auch nicht dazu gehören. Gerade deshalb stehen wir nicht allein gegen alle, sondern befinden uns als glaubwürdige Oppositionskraft im Einklang mit den wesentlichen Interessen der Bevölkerungsmehrheit.«

Wir fordern: Die Menschen dürfen nicht mehr länger die Zeche für unvorstellbare Spekulationen im kapitalistischen Kasino zahlen. Der Finanzmafia müssen zumindest die Flügel gestutzt werden; das Prinzip, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, darf nicht länger eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit bleiben. Hartz IV muss weg, eine Millionärssteuer muss her. Leiharbeit gehört verboten. Gesundheit darf keine Ware sein, Wohnungen kein Luxusgut. Bildungsschranken müssen eingerissen und nicht verfestigt werden. Mit dem Demokratieabbau muss Schluss sein. Deutsche Soldaten sind von überall her zurückzuholen, wo sie in imperialistische Kriegsabenteuer oder deren Vorbereitung involviert sind. Waffenexporte sind zu verbieten.»«

Thomas Hecker ist Bundessprecher der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE. Deren kompletter Vorschlag für die Neufassung der Präambel ist hier nachzulesen.

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