Hindernisse unterm Regenbogen

Zwei Mütter, ein Kind - und jede Menge Probleme. Ein lesbisches Paar erzählt von seiner Familiengründung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.

Zufrieden sitzt Kajsa auf dem Schoß ihrer Mama und lässt sich füttern. Gerke Schlickmann-Ringswandl gibt ihrer Tochter behutsam einen Löffel nach dem anderen von ihrem Brei. Mit den beiden am Küchentisch sitzt Lena Ringswandl - auch Kajsas Mutter. Seit fünf Jahren sind die beiden Frauen ein Paar, vor acht Monaten kam das Kind auf die Welt. Damit sind sie eine Regenbogenfamilie.

Gerke, die 35-jährige Theaterwissenschaftlerin und Linguistin, ist sichtlich glücklich, dass ihr Traum von einer Familie aufgegangen ist. »Ich wusste sehr schnell, dass Lena die Richtige ist, um mit ihr ein Kind großzuziehen«, erzählt sie. Lena, 29, freut sich auch, aber auf eine stillere Art. Die Juristin ist zurückhaltender als ihre Partnerin. Gemein ist den beiden, dass sie ihre Lebensplanung kontrolliert angehen. Eine Eheschließung gehörte für die beiden dazu.

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»Als wir 2009 geheiratet haben, wunderten sich Kolleginnen von mir, dass unsere Ehe nicht mit den gleichen Rechten verbunden war«, erinnert sich Gerke, die in der Zeit in einem Schuhladen jobbte. Und sie fragt noch immer verständnislos, warum die CDU Probleme mit schwulen und lesbischen Paaren habe, während die Leute auf der Straße längst gleichgeschlechtliche Ehen akzeptierten.

Die beiden Frauen selbst führen ein Leben wie aus dem konservativen Bilderbuch. Als Kajsa unterwegs war, zogen sie vom quirligen Berlin-Neukölln (»Karl-Marx-Straße, Vorderhaus!«) ins beschauliche Lichterfelde West. Lena arbeitet als Justiziarin bei der Arbeiterwohlfahrt. »Es ist wirklich schlimm, manchmal sind wir die Karikatur einer spießbürgerlichen Kleinfamilie«, sagt Gerke, die leibliche Mutter von Kajsa: Sie zu Hause mit dem Kind, Lena die Alleinverdienerin.

Kajsa hat inzwischen ihre Mahlzeit beendet. Zufrieden liegt sie in ihrer Babyschale und starrt mit fasziniertem Blick auf den Besuch. Noch denken ihre beiden Mütter nicht darüber nach, ihr Kind in einer Kita anzumelden. Gerke möchte ohnehin gerne noch den Doktor machen und erst dann wieder berufstätig werden. Ihnen geht es wie vielen Eltern mit einem Kleinkind. Beruf und Familie zu vereinbaren, ist nicht leicht.

Doch für Gerke und Lena war der Weg zum Kind in einem sicheren rechtlichen Rahmen beschwerlich, und noch längst haben sie nicht alle Schwierigkeiten überwunden. Überhaupt einen passenden Vater zu finden, war für sie nicht einfach. »Jemanden aus dem Bekanntenkreis zu fragen, kam für uns nicht in Frage. Wir wollten beide Mütter sein, aber auch niemandem etwas wegnehmen«, erklärt sie die Überlegung bei ihrer Suche.

Wie so oft war das Internet der Ausweg. Auf einem Portal haben die beiden Frauen einen Mann gefunden, der schon vier Kinder hatte und noch anderen Menschen die Möglichkeit geben wollte, welche zu bekommen. »So hatten wir uns das vorgestellt«, meint Gerke. »Nicht dass er, wenn das Würmchen auf der Welt ist, einen Rappel kriegt.« Der Mann sollte keine Ansprüche stellen, sondern nur einmal pro Jahr auf einen Kaffee vorbeikommen, das war ihre Vorstellung. Denn Kajsa den leiblichen Vater gänzlich vorenthalten, das wollten sie auch nicht.

Aber frei vom Risiko möglicher Unterhaltsverpflichtungen ist diese Konstellation für den Erzeuger nicht. Während bei verheirateten Paaren die Eheleute unabhängig vom Erzeuger automatisch die rechtlichen Eltern sind, gilt dieser Grundsatz bei Verpartnerungen - so heißt die gleichgeschlechtliche Eheschließung - nicht. Nur mit einer Stiefkindadoption kann Lena den rechtlichen Elternstatus erlangen.

Das Verfahren hierfür gleicht aber einer bürokratischen Orgie. Zunächst muss man zum Notar, um die Adoption zu beantragen, schließlich werden diverse Gutachten eingeholt, bevor das Gericht entscheidet. »Ich brauche ein ärztliches Attest, das Jugendamt kommt bei uns vorbei, die Einkommensverhältnisse müssen offengelegt werden, selbst Kajsa braucht ein Attest«, zählt Lena einige der mühseligen Schritte auf. Ein veritabler Striptease vor den Behörden also, mit ungewissem Ausgang.

»Unsere Verpartnerung vor vier Jahren ist sicherlich eine gute Voraussetzung für eine Adoption«, glaubt Gerke. Aber sie betont, dass sie primär ihren Bund aus emotionalen Gründen geschlossen hätten. Lena gerät daraufhin ins Schwärmen. »Wir beide waren ganz in Weiß. Das Standesamt in Neukölln an der Blaschkoallee ist sehr schön, der Trausaal ist in der ehemaligen Krankenhauskapelle untergebracht.« Sie deutet auf das Hochzeitsfoto über dem Küchentisch, auf dem die beiden Bräute zu sehen sind. »Gefeiert haben wir im Körnerpark.« Viele Parkbesucher hätten sich gewundert, dass es zwei Bräute, aber keinen Bräutigam gab.

Nun wird Gerke wieder ernster: »Ich bin ja froh, dass es die Möglichkeit mit der Adoption überhaupt gibt. Aber dieser Aufriss dafür!« Mit einer rechtlichen Gleichstellung zur Ehe wäre das Problem gelöst, meint sie. Immerhin gibt es mit der Verpartnerung nun schon einige Verbesserungen. Gerke ermöglicht sie beispielsweise, über Lenas Krankenkasse mitversichert zu sein. Aber ein Ehegattensplitting gibt es noch immer nicht. »Es geht dann über den Umweg des Unterhalts für ihre Partnerin Gerke. Den kann ich absetzen, denn unterhaltspflichtig bin ich nämlich schon«, erklärt Lena die komplizierte rechtliche Situation einer Regenbogenfamilie.

Allen Hindernissen zum Trotz bleiben Lena und Gerke zuversichtlich. Irgendwie lasse sich das alles regeln, glauben sie. Nur die Umwege seien häufig beschwerlich. Oder manchmal auch absurd: »Ich habe Post vom Jugendamt bekommen, ob ich als ledige Mutter Hilfe brauche, den Unterhalt vom Vater zu erhalten«, berichtet Gerke. Der Brief zeigt, wie sehr das konventionelle Familienbild bei den Behörden verfestigt ist. Das merken die beiden Frauen auch häufiger im Alltag. »Es wäre schön, auch einfach mal Brötchen kaufen zu gehen, ohne den Zeugungsakt erklären zu müssen«, sagt Lena. »Manchmal fehlt da auch eine gewisse Scham, wenn dich die Kassiererin im Supermarkt fragt, wie das denn jetzt genau war«, ergänzt Gerke. Bisweilen nervt sie ihre Rolle als Exotin. »Aber ich erkläre dann trotzdem vieles, einfach damit es selbstverständlicher wird.« Fast scheint es, als sei dies für sie zu einer täglichen Aufgabe geworden.

Dabei haben sie noch die normalen Elternprobleme. Wie alle halten sie den Spagat zwischen Elternschaft und Beruf aus. »Im Moment denke ich zwar nicht über eine Kita nach, aber vielleicht fällt mir ja in einem halben Jahr die Decke auf den Kopf«, erzählt Gerke. Und da fehle die Flexibilität, zum Beispiel rasch einen Kindergartenplatz zu bekommen. Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck. »Bleibst du zu Hause, dann wird dir der Vorwurf gemacht, dass du dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehst. Gehst du möglichst schnell wieder arbeiten, giltst du als Rabenmutter«, fasst Gerke die widerstrebenden Ansichten zusammen.

Doch eine Regenbogenfamilie habe auch Vorteile, findet Gerke. »Wenn Kajsa noch ein Geschwisterchen bekommen soll, können wir überlegen, wer von uns beiden dann die leibliche Mutter wird.« Kajsa schläft inzwischen selig in ihren Armen. »Meistens ist sie ein sehr zufriedenes Kind. Wenn ich da bin, ist sie sehr ruhig«, meint Lena. »Aber so etwas erzählen wohl alle Eltern«, fügt sie an.

Gerke fragt sich, welche Aufgabe eine Familie denn habe - und gibt sogleich eine Antwort: »Es ist eine Gemeinschaft, die Kinder aufzieht. Und die Ehe ist eine Partnerschaft, bei der man vor dem Staat verspricht, füreinander einzustehen.« Mit diesen Definitionen hätte die CDU sicherlich kein Problem. Es sei denn, es handelt sich um gleichgeschlechtliche Paare.

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