Mieten in Berlin: »Alles ist schlimmer geworden«

Grüne wollen landeseigene Wohnungsunternehmen fusionieren und ein Abrissmoratorium

Nur noch wenig Hoffnung: Mieter einer Heimstaden-Wohnung am Wildenbruchplatz in Neukölln protestieren gegen Mieterhöhungen.
Nur noch wenig Hoffnung: Mieter einer Heimstaden-Wohnung am Wildenbruchplatz in Neukölln protestieren gegen Mieterhöhungen.

Einen passenderen Termin hätte sich Heimstaden kaum aussuchen können: Ausgerechnet an dem Tag, an dem das Abgeordnetenhaus über die Mieten in der Hauptstadt diskutieren wollte, wurde bekannt, dass der Wohnungskonzern die Mieten kräftig erhöhen will. Um bis zu 20 Prozent sollen die Mieten bei etwa 6500 der 20 000 Heimstaden-Wohnungen steigen. Das geht aus Dokumenten hervor, die »nd« vorliegen. Heimstaden ist zwar nicht Teil des Wohnungsbündnisses des Senats, das den Mietenanstieg durch freiwillige Selbstverpflichtungen begrenzen soll, aber Mitglied des Immobilienbranchenverbands Zentraler Immobilien-Ausschuss, der dem Bündnis angehört. Weil man den Beitritt des Verbands nicht unterstützt habe, fühle man sich auch nicht an die Vereinbarungen gebunden, sagte ein Heimstaden-Sprecher der »Berliner Zeitung«.

Für die Opposition war das am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eine Steilvorlage, um mit der Mietenpolitik des schwarz-roten Senats abzurechnen. »Alles ist schlechter als zuvor«, fasste Grünen-Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt zusammen. »Außer großen Abstimmungsrunden mit leeren Versprechen geschieht nichts.« Das Wohnungsbündnis des Senats sei gescheitert. Auch die privaten Wohnungsunternehmen würden an den Herausforderungen der Wohnungspolitik scheitern.

An der Arbeit des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) ließ Schmidberger kein gutes Haar. In der vergangenen Woche hatte Wegner gefordert, die Mietpreisbremse konsequenter durchzusetzen. Er verwies darauf, dass die auf vielen Immobilienportalen geführten Mieten offensichtlich nicht mit der Bremse vereinbar seien. »Das scheint ein Schock für Sie gewesen zu sein«, höhnte die Grünen-Abgeordnete. »Dabei haben Sie als Mitglied des Bundestags dafür gesorgt, dass die Mietpreisbremse so löchrig ist.« Dass es Berlin an einem qualitativen Mietspiegel mangele, um die Mietpreisbremse besser durchzusetzen, sei »eine reine Ausrede«. In anderen Städten gebe es einen solchen Mietspiegel auch nicht, und trotzdem gelinge es dort, die Mietpreisbremse durchzusetzen.

Um der Situation Herr zu werden, wollen die Grünen neue Wege gehen. Schmidberger forderte, die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen zusammenzulegen. »Wir brauchen keine zwölf hoch bezahlten Vorstände und Geschäftsführungen«, so Schmidberger. So könne man Kräfte bündeln und Ressourcen sparen. Wenn die Fusion nicht möglich sei, solle man wenigstens eine gemeinsame Planungstochter der Landeseigenen gründen. Zudem wollen die Grünen ein Abrissmoratorium. Dies sei nicht nur aus ökologischen Gründen notwendig. »Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung«, so Schmidberger.

Esrin Nas, wohnungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sah die Schuld für die Lage auf dem Wohnungsmarkt an anderer Stelle: »Fehlentscheidungen in der Vergangenheit haben zur aktuellen Situation geführt«, sagte er. Der rot-grün-rote Vorgängersenat habe beim Neubau versagt, nun mangele es an Wohnungen. Damit der Mieterschutz »nicht nur auf dem Papier steht«, sei ein qualifizierter Mietspiegel unerlässlich. Das von den Grünen geforderte Abrissmoratorium bezeichnete er als »Wirrwarr«. Bei der SPD, die bis vor wenigen Monaten noch die Regierende stellte, kam die Kritik am Vorgängersenat nicht sonderlich gut an, die Fraktion verweigerte dem Koalitionspartner konsequent den Applaus.

Auch Niklas Schenker, wohnungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, kritisierte den schwarz-roten Senat – mit etwas missglückten Wortspielen: Der »Immobilien-Kai« habe keine Ahnung, was auf dem Wohnungsmarkt geschehe. Besonders kritisierte er die neue Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und landeseigenen Wohnungsunternehmen. Diese erlaubt ab 2024 Mietsteigerungen von bis zu drei Prozent pro Jahr. Betroffen sind etwa 350 000 Wohnungen. Für viele sei das nicht bezahlbar. »Sie können nicht Ihr eigenes Gehalt mit dem der Menschen in der Stadt verwechseln«, sagte er.

Für Neuvermietungen sehe die Kooperationsvereinbarung keine sozialen Vorgaben mehr vor. Zudem werde der Kreis jener, die sich auf landeseigene Wohnungen bewerben können, größer, weil Schwarz-Rot den sozialen Wohnungsbau auch für die Mittelschicht öffnen will. »Das Büfett bleibt gleich groß, aber es kommen doppelt so viele Leute«, kritisierte Schenker. Damit werde das Wohnungsangebot für die ärmsten Menschen halbiert. Ein kommunales Wohnungsprogramm würde erlauben, die Landeseigenen beim Neubau zu entlasten, so Schenker.

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) nannte die Vorwürfe »unberechtigt«. Das Mietenbündnis habe konkrete Verbesserungen für die Mieter gebracht. »Sie sagen, das bringt alles nichts, aber allein bei Vonovia haben 130 000 Mieter von den Absprachen profitiert.« Dem Senat fehle es an effektiven Mitteln gegen den Mietenanstieg. »Leider gibt uns der Bund keine Instrumente in die Hand, um die Mieten zu senken«, sagte Gaebler. Er lobte den Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksstadtrat Oliver Nöll (Linke), der Mietsteigerungen mithilfe des Wirtschaftsstrafrechts eindämmen will. »Einfach mal machen und nicht nur andere auffordern, was zu tun, das wäre doch auch was für andere Bezirke«, so Gaebler.

Bei den Landeseigenen sei die Situation weniger dramatisch, als es die Opposition darstelle. »Der Rahmen ist nun wirklich moderat«, sagte er über die neuerlichen Mietsteigerungen. Mit der neuen Kooperationsvereinbarung sei ein guter Kompromiss gefunden worden. Die Mieter würden nicht überfordert, und zugleich würden die Landeseigenen finanziell besser aufgestellt, um mehr Neubau stemmen zu können.

Als Kronzeugin für diese Sicht verwies Gaebler auf die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen, die die Mietsteigerungen bei den Landeseigenen als »Reaktion in geringem Umfang auf die Preissteigerungen der vergangenen Jahre« bezeichnet hatte, und das in einer, so Gaebler, »unverfänglichen Quelle«: dem »nd«. »Das ist sicher nicht die Lieblingszeitung dieser Koalition«, sagte Gaebler. Dieses Etikett wird »nd« gerne weiter tragen – und grüßt herzlich alle heimlichen Fans.

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