Schwarz-roter Senat in Berlin beschließt Mieterhöhungen

Bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen die Mieten um fast 9 Prozent in drei Jahren steigen

»Mieten-Stopp!«: Mit Berlins schwarz-rotem Senat nicht zu haben.
»Mieten-Stopp!«: Mit Berlins schwarz-rotem Senat nicht zu haben.

»Nicht alle sind restlos begeistert«, gesteht Bausenator Christian Gaebler. »Aber so ist das nun einmal mit Kompromissen.« Auf Mieterhöhungen von jährlich 2,9 Prozent dürfen sich rund 370 000 Berliner Haushalte bis einschließlich 2027 einstellen. Und doch sind am Montag nicht die Mieter*innen der Landeseigenen gemeint, wenn der SPD-Politiker im Haus seiner Senatsverwaltung enttäuschte Erwartungen andeutet.

Forderungen nach einer Mieterhöhung von bis zu 7 Prozent auf einen Schlag sollen laut Gaebler »informell im Raum« gestanden haben. Bei den Verhandlungen habe der Senat den Landeseigenen letztlich aber klarmachen können, dass die Spielräume begrenzt seien. Durch die neue Kooperationsvereinbarung erhofft sich der Bausenator nun, dass Stadt und Land, Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge und WBM das Ziel von jährlich 6500 fertiggestellten kommunalen Wohnungen erreichen. »Ich erwarte natürlich von den Gesellschaften, dass sie den spitzen Bleistift in die Hand nehmen und nachrechnen.« Auch durch Ankäufe soll der Anteil der landeseigenen Wohnungen in Berlin perspektivisch auf über 30 Prozent steigen – wenn die Preise am Markt gesunken sind.

Mit den Mietsteigerungen bei den Landeseigenen setzt die Große Koalition den Entlastungsmaßnahmen ein Ende, die unter Rot-Grün-Rot für die Hauptstadt beschlossen wurden. Mietenstopp und Mietendimmer seien zu ihrer Zeit »richtig und wichtig« gewesen, erklärt Gaebler. Doch: »Irgendwann stößt das an seine Grenzen.« Sanierung, Neubau und Einhaltung der Umweltziele ließen sich ohne Mieterhöhungen schlichtweg nicht realisieren. Zudem gebe es ja noch die Entlastungsmaßnahmen bei den Energiekosten, durch die ein »erheblicher Ausgleich« geschaffen worden sei.

Davon, die soziale Verantwortung nicht zu vernachlässigen, spricht neben Gaebler auch Finanzsenator Stefan Evers. »Soziale Mietenpolitik bedeutet, Leistbarkeit zu sichern«, sagt der CDU-Politiker. Genau das habe man getan: Zwar sollen die Mieten der Landeseigenen angehoben werden. Die Nettokaltmiete allerdings darf laut Vereinbarung nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens ausmachen. Bislang lag die Grenze bei 30 Prozent. Hinzu kommen diverse Staffelungsgrenzen, die sich unter anderem auf die Größe der Wohnungen beziehen. Die Vereinbarung umfasst zudem, dass der Senat das Eigenkapital der kommunalen Unternehmen stärkt, Bebauungsplanverfahren verkürzt und Abläufe beim Bau generell vereinfacht. Die Kooperationsvereinbarung wird ab 2024 in Kraft treten.

Einen fairen Kompromiss, wie ihn der Senat nach außen trägt, will der Berliner Mieterverein derweil nicht erkennen. »Menschen mit kleinem Einkommen werden durch diese neue Kooperationsvereinbarung benachteiligt«, lässt Geschäftsführerin Ulrike Hamann am Montag wissen. »Sie ist im Vergleich zur vorherigen Vereinbarung eine wesentliche Verschlechterung für alle Mieter*innen.« Während zuvor rund zwei Drittel der frei werdenden Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet wurden, sei es jetzt nur noch die Hälfte davon.

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Einen »Skandal« nennt Hamann die deutlich erhöhten Einsteigsmieten im Neubau, bei denen die Wohnungsunternehmen statt den bisherigen 11 Euro pro Quadratmeter nun 14 Euro nehmen dürfen. »Mit der Erhöhung von 3 Euro pro Quadratmeter tragen die Landeswohnungsunternehmen auch zu Steigerungen im Mietspiegel bei.« Auch der Neubau komme somit nicht mehr zur Hälfte Menschen mit kleinem Geldbeutel zugute, sondern nur noch zu einem knappen Drittel.

Von »Mieterhöhungen mit der Gießkanne« ist derweil bei den Berliner Grünen die Rede. »Das Wohnungsbündnis des Senats ist gescheitert, wenn sich selbst die landeseigenen Wohnungsunternehmen nicht mehr an die Regeln des Wohnungsbündnisses halten«, kommentiert Katrin Schmidberger, Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus für Wohnen und Mieten. Das Bündnis sieht eine Mieterhöhung von maximal 2 Prozent pro Jahr für einkommensschwache Haushalte vor. »Man sucht weiter vergeblich nach dem sozialen Profil im schwarz-roten Senat.« Schmidberger fordert unter anderem, dass die Härtefallregelung künftig von netto kalt auf brutto kalt umgestellt wird: »Die einkommensschwachen Mieter*innen, die in den landeseigenen Wohnungen leben, müssten gezielt entlastet werden.«

Ebenfalls entsetzt zeigt sich Niklas Schenker, mietenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Angesichts von Inflation und steigenden Kosten sei es unverantwortlich, die Mieten derart zu erhöhen. »Gerade die SPD macht sich komplett unglaubwürdig. Während Raed Saleh am Samstag noch die Parole ausgab ›Keine Koalition ohne Mietendeckel‹, erhöht sein Senator am Montag die Mieten«, kritisiert Schenker in Richtung des SPD-Landesparteichefs.

Nicht nur habe der Senat die Vorgaben für die Landeseigenen von 14 auf nur noch drei Seiten reduziert. Bei der energetischen Modernisierung zünde die Große Koalition auch noch den »Verdrängungsturbo«. Bis zu 2 Euro pro Quadratmeter könnten hier nun auf die Miete umgelegt werden, was Erhöhungen von bis zu 30 Prozent ermögliche. »So wird keine Akzeptanz für Klimaschutz geschaffen. Stattdessen müsste gelten: Modernisierung ohne Mieterhöhung.«

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