Konjunktur: Ampel auf Gelb-Rot

Prognose zeigt Anzeichen für wirtschaftliche Erholung, doch die Risiken sind enorm

  • Felix Sassmannshausen
  • Lesedauer: 3 Min.
Wegen schlechter Aussichten werden auch in der Stahlindustrie Produktionskapazitäten heruntergefahren.
Wegen schlechter Aussichten werden auch in der Stahlindustrie Produktionskapazitäten heruntergefahren.

Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die deutsche Wirtschaft auch im zweiten Quartal in eine Rezession gerät, ist spürbar gesunken. Das geht aus aktuellen Zahlen hervor, die das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am Montag veröffentlicht hat. Während die Konjunkturwarnlampe seit Juni vergangenen Jahres rot leuchtete, gibt sie nun mit Gelb-Rot leichte Entwarnung.

Die besseren Aussichten sind unter anderem durch Impulse im privaten Konsum bedingt. »Im Jahresverlauf dürfte die sich angesichts moderater Inflation und weiter steigender Löhne deutlich verbessernde Kaufkraft der Haushalte dafür sorgen, dass es zu einer Belebung der Konjunktur kommt«, teilte IMK-Konjunkturexperte Peter Hohlfeld mit. Für Entlastung sorgt auch, dass die Produktion im verarbeitenden Gewerbe sowie die Exporttätigkeit zuletzt wieder gestiegen waren.

Dazu beitragen dürfte außerdem, dass die Materialknappheit auf den Märkten abgenommen hat, wie aus Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo vom Montag hervorgeht. Demnach berichtet nur noch jedes zehnte Unternehmen von Engpässen. Im Vormonat waren das knapp fünf Prozent mehr. »Die Versorgung mit Rohstoffen und Vorprodukten hat sich in der letzten Zeit deutlich verbessert«, erklärte dazu Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfrage.

Auch an den Finanzmärkten hat sich die Lage etwas entspannt. Der sogenannte Finanzmarktstressindex des IMK ist um knapp fünf Punkte auf 21 Prozent gesunken. 2022 lag er bei über 60 Prozent. Im Bereich des Finanzkapitals hatte die zuletzt rückläufige Inflation Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen durch die EZB und andere Zentralbanken genährt. Unter anderem dadurch erreichten die Leitindizes wie der Dax neue Höchststände.

Rekorde wurden in dem Zusammenhang auch bei der Dividendenausschüttung gebrochen. So zahlten die 160 an deutschen Börsen gelisteten Aktiengesellschaften dieses Jahr insgesamt rund 62,5 Milliarden Euro aus, 1,6 Prozent mehr als 2023. Das geht aus neuen Zahlen des Institute for Strategic Finance der Fom-Hochschule hervor. Besonders hoch sind die Ausschüttungen durch Automobilkonzerne, Versicherungsunternehmen und Banken. Dabei waren die Gesamtgewinne der Unternehmen im vergangenen Jahr laut Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst and Young um rund sechs Prozent gesunken.

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Auch aufgrund der schleppenden wirtschaftlichen Dynamik bestehen an den Finanzmärkten laut IMK-Prognose erhebliche Risiken fort. Insbesondere die Prämien für Ausfallkredite deuteten auf eine angespannte Lage. Und der Welthandel bleibt wegen der zunehmenden geopolitischen Konflikte fragil. Vor allem eine weitere Eskalation im Nahen Osten birgt derzeit Risiken für den Weltmarkt. Am Wochenende feuerte der Iran über 300 Raketen auf Israel ab, wovon die meisten auch dank Unterstützung der USA abgewehrt wurden.

Derzeit seien die Auswirkungen auf die Märkte bis auf einen kleinen Ausschlag bei den Ölpreisen noch gering, sagte IMK-Forscher Hohlfeld dazu im Gespräch mit »nd«. »Bislang wird ernst genommen, dass von beiden Seiten keine Eskalation gewollt wird«, erklärte er. Allerdings könne eine Zuspitzung erhebliche negative Auswirkungen haben und eine weltweite Kettenreaktion mit nicht absehbaren Folgen auslösen, warnte der Wirtschaftsforscher.

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